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Saturday, 29.06.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Finanzmisere der Kommunen hemmt Umsetzung

Wie müssen öffentliche Verwaltungen aussehen, um zukunftsfähig zu sein, und welche Rolle spielen dabei die neuen Informationstechnologien? Marga Pröhl, Verwaltungsexpertin und Mitglied im NRW-Zukunftsrat hält E-Government für den eigentlichen Reformmotor in diesem Prozess. Dadurch werden die Verwaltungen noch stärker als bisher gezwungen, sich an den Bürgern zu orientieren. Heute.online: Wie müssen Verwaltungen aussehen, um zukunftsfähig zu sein?

Pröhl: Für die Verwaltungen ist derzeit in erster Linie der Kostendruck und die Bürgerzufriedenheit entscheidend, das heißt, ihre Dienstleistungen sollten möglichst hochwertig und gleichzeitig kostengünstig sein. Betriebswirtschaftliche Steuerungsgrundlagen werden für Verwaltungen immer wichtiger, wenn sie zukunftsfähig sein sollen.

Es muss Klarheit über die Qualität und die Kosten der einzelnen Produkte herrschen. Dazu braucht man Zielvereinbarungen und auch die Instrumente, die man in der privaten Wirtschaft für die Erstellung von Dienstleistungen benötigt.

Heute.online: Wo stehen wir in Deutschland mit der Modernisierung der Verwaltungen? Was ist bisher erreicht worden?

Pröhl: Die Modernisierung steht im Kontext der Umsetzung von "New Public Management" ("Neues Steuerungsmodell"). Das ist kein besonders neues Thema, sondern wird bereits seit etwa zwölf Jahren sehr intensiv verfolgt. Zu diesem Zeitpunkt war der Finanzdruck und auch die Unzufriedenheit der Bürger besonders stark spürbar. Deswegen mussten die Verwaltungen reagieren.

Seitdem hat es besonders auf kommunaler Ebene viele Fortschritte in Bezug auf neue Steuerungsmethoden gegeben. Ich will nur ein paar Begriffe nennen wie Output-Steuerung, oder das klare Benennen von Zielen, auch Kostenzielen. Insbesondere die Kommunen sind kundenorientierter geworden. So haben zahlreiche Städte heute Bürgerbüros, wo man Dienstleistungen aus einer Hand bekommt.

Heute.online: Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang E-Government?

Pröhl: E-Government ist im Grunde ein Reformtreiber. Denn die Verwaltungen sind ja mehr und mehr bereit, den Bürgern ihre Dienstleistungen rund um die Uhr anzubieten. Das reicht von der bloßen Bereitstellung von Informationen über das Herunterladen von Formularen bis hin zu interaktiven Formen.

E-Government ist aber nicht nur ein weiteres Instrument, um Dienstleistungen zu erbringen, sondern die Verwaltungen müssen sich durch diese Schnittstelle zum Bürger auch anders orientieren und strukturieren. Durch die Online-Dienstleistungen sind sie noch stärker als bisher gezwungen, sich in die Schuhe der Bürger zu stellen und die Verwaltung neu zu denken, nämlich im Hinblick darauf, was die Bürger von ihnen wollen. Somit stehen nicht mehr die eigenen Organisationsstrukturen im Vordergrund, nach denen sich die Bürger zu richten haben, sondern es ist genau anders herum.

Heute.online: Bei E-Government stehen wir in Deutschland ja noch am Anfang der Entwicklung. Erst vor zwei Jahren hat Bundeskanzler Schröder mit der Initiative BundOnline 2005 E-Government zur Chefsache erklärt. Wo sehen Sie die Gründe für die verzögerte Entwicklung?

Pröhl: BundOnline hat sicherlich dazu beigetragen, die Entwicklung des E-Government auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene zu beschleunigen. Andererseits muss man natürlich sehen, dass die Einführung von E-Government viel Geld kostet. Es sind enorme Investitionen erforderlich, die insbesondere die Kommunen angesichts ihrer Finanzmisere derzeit kaum leisten können.

Es mangelt nicht nur an der Bereitstellung von Hard- und Software, sondern auch sehr stark an der Qualifizierung der Mitarbeiter. Hier sind große Investitionen in Fortbildung erforderlich. Deswegen haben viele Städte heutzutage zwar ihre Homepages, die relativ gut gestaltet Informationen bereit stellen, aber für eine wirklich interaktive Plattform fehlen meistens die Mittel und die qualifizierten Leute, die das umsetzen könnten.

Heute.online: Angesichts knapper Kassen wird E-Government dann wohl kaum in absehbarer Zeit umgesetzt werden können?

Pröhl: Es gibt viele Kommunen, die derzeit engagiert an Konzepten arbeiten - mittelfristige Konzepte - und sich Meilensteine setzen, um ihre Homepages schrittweise auszubauen und in Richtung Online-Dienste und schließlich weiter in Richtung stärkere Bürgerbeteiligung auszuformen.

Denn die neuen Medien ermöglichen ja nicht nur, einseitig Dienstleistungen anzubieten, sondern es eröffnen sich ja auch ganz neue Chancen der Bürgerbeteiligung an wichtigen Zukunftsfragen der Kommunen (E-Democracy). Hiervon sind wir allerdings in der Tat noch sehr weit entfernt. Während wir durch Modellprojekte bereits in einigen Kommunen sehr vorzeigbare E-Government-Beispiele haben, müssen wir bei der Bürgerpartizipation noch sehr viel Entwicklungsarbeit leisten.

Heute.online: Wo sehen Sie die Grenzen der Verwaltungsmodernisierung?

Pröhl: Ich denke, die Verwaltungsreform ist schon richtig weit voran gekommen. Insbesondere in den Kommunen wurde in den letzten Jahren sehr viel geleistet. Auf kommunaler Ebene sind die Grenzen sicher da zu sehen, wo derzeit der Schuh am meisten drückt, nämlich bei den Finanzen.

Für viele Dinge, ob es um Leistungsverbesserungen, E-Government oder E-Democracy geht, ist es notwendig, in die Zukunft zu investieren. Unsere Städte sind im Augenblick dazu jedoch nicht in der Lage, weil ihnen schlichtweg die finanzielle Grundlage fehlt. An diesen Punkt haben wir bei den Kommunen eine wirkliche Notlage. Hier sind also auch die Grenzen.

Zur Person:
Marga Pröhl, 47 Jahre alt, ist Honorarprofessorin an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Seit 1994 leitet sie den Bereich "Staat und Verwaltung" der Bertelsmann Stiftung (Netzwerk "Kommunen der Zukunft"), wo sie für Projekte der Verwaltungsmodernisierung auf kommunaler, Landes- und Bundesebene zuständig ist. Marga Pröhl ist Mitglied des NRW-Zukunftsraten sowie der NRW-Regierungskommission "Öffentlicher Dienst der Zukunft".

Hintergrund:

heute.t-online: Externe Links: Quelle: ZDF Heute

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