Today 613

Yesterday 625

All 39464954

Friday, 5.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Zahlreiche Hindernisse auf dem Behördenhighway: Budgetengpässe, föderale Strukturen und die geringe Verbreitung elektronischer Signaturen. Während das Internet für viele Unternehmen bereits zur Selbstverständlichkeit geworden ist, sind der Staat und insbesondere die öffentliche Verwaltung noch dabei, die Potenziale von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) für sich zu erschließen. Auch wenn im vergangenen Jahr große Fortschritte erzielt worden sind, steckt die Virtualisierung des Staates vielfach noch in den Kinderschuhen. Deutschland nimmt im internationalen Vergleich lediglich einen Platz im Mittelfeld ein. Bei einem Benchmarking wird deutlich: Große Kraftanstrengungen sind nötig, damit der Anschluss an die fortgeschrittenen Staaten nicht verpasst wird. Einer zügigen Umsetzung stehen zahlreiche Hindernisse im Weg: Budgetengpässe, die Herausforderungen eines föderalen Systems sowie die bisher sehr geringe Verbreitung digitaler Signaturen gehören dazu.

Warum "E" in der öffentlichen Verwaltung?

Die Erkenntnis, dass der Einsatz von IuK-Technologie in der öffentlichen Verwaltung ein Schlüsselthema für die Modernisierung des Staates darstellt, geht mit einem grundsätzlichen Philosophiewandel einher. Auch wenn die Idealvorstellung einer Administration als Dienstleistungsorganisation mit dem Steuerzahler als Shareholder eher ein Zukunftsszenario darstellt, so sind mit dem Vordringen des Internets die Ansprüche von Bürgern und Unternehmen gegenüber Regierungen und Behörden gestiegen. Eine moderne Infrastruktur sowie qualitativ bessere, umfangreichere und zügigere Dienstleistungen werden von Bürgern im Internetzeitalter eher gefordert als in der Offline-Welt. Eine Umfrage der eMind@Emnid zeigt: 87 Prozent der befragten Bürger finden das Angebot eines virtuellen Rathauses attraktiv bis sehr attraktiv. Dieser Nachfrage suchen öffentliche Verwaltungen durch größere Kundenorientierung zu entsprechen, indem sie Leistungsbeziehungen, z.B. mittels sog. virtueller Rathäuser, qualitativ verbessern ("One-Stop Administration"). Aber auch der Zwang zu mittelfristiger Haushaltskonsolidierung ist eine treibende Kraft für den Einsatz von IuK-Technologien in der öffentlichen Verwaltung. Während sich zwar kurzfristig hohe Investitionskosten als Hindernis erweisen, sind durch eine schnellere Bearbeitung von Anträgen oder niedrigere Einkaufspreise bei öffentlichen Ausschreibungen deutliche Einsparungen zu erwarten.

Ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie analysiert Erfahrungen mit Beschaffungsauktionen der öffentlichen Hand in den USA in den Jahren 1999 und 2000. In Abhängigkeit von der Art der Güter (Vorprodukte, Spezialteile, Computerausstattung) und der Konstellation der Auktion (Zahl der Teilnehmer, Vorauswahl) konnten Einsparungen zwischen 8 Prozent und 30 Prozent erzielt werden, in einem Fall sogar 50 Prozent. Das BMI sieht bei seiner Beschaffungsplattform "E-Vergabe" etwas geringere Potenziale. 30.000 öffentliche Auftraggeber können von der Einführung elektronischer Beschaffung profitieren. Insgesamt erwartet das Ministerium ein Einsparpotenzial von ca. 10 Prozent des Auftragsvolumens. Die möglichen Ersparnisse sind also erheblich und machen E-Procurement zu einem vielversprechenden Element des "schlanken Staates".

Wo liegen die Herausforderungen?

Trotz der bereits erzielten Fortschritte sind die meisten Angebote von der idealen Umsetzung noch ein gutes Stück entfernt. Internationale Studien belegen, dass auf einer großen Zahl von E-Government Sites vor allem Informationen zur Verfügung gestellt werden. Nahtlose E-Government Angebote sind vielfach noch nicht realisiert worden. Vor einem durchschlagenden Erfolg stehen zahlreiche Herausforderungen: die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung erfordert ein Umdenken innerhalb von Politik und Administration, eine Erneuerung der internen Arbeitsprozesse sowie umfassendes Know How im Umgang mit modernen IuK-Technologien. Auf der Ebene der Kommunen bestehen oftmals noch Vorbehalte gegenüber E-Procurement. Als Nachteile im Vergleich zur konventionellen Beschaffung werden z.B. der Wegfall der Wirtschaftsförderungsmöglichkeiten, fehlende Kontakte und Beratungsmöglichkeiten sowie ein nicht vollständig entwickelter Markt für E-Procurement genannt.

Darüber hinaus bestehen zahlreiche spezielle Probleme:

  • die Reorganisation und Entschlackung der Verwaltungsprozesse mit dem Ziel einer nahtlosen Online-Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen (Re-Engineering). Studien zeigen, dass mit der Implementierung von E-Government bislang nur vereinzelt messbare Effizienzsteigerungen bei Verwaltungsprozessen erreicht werden konnten.
  • die Erstellung eines konsistenten Konzeptes für alle beteiligten Behörden, um die Aktivitäten verschiedener staatlicher Ebenen aufeinander abzustimmen und einen gesamtwirtschaftlich effizienten Aufbau von E-Government Lösungen sicherzustellen. Dies ist in einem föderalen System wie der Bundesrepublik Deutschland von entscheidender Bedeutung, um Insellösungen sowie teure Doppelentwicklungen zu vermeiden.
  • Integrationsbedarf bei existierenden Systemen. Öffentliche Institutionen verwenden immer noch eine Vielzahl nicht kompatibler Plattformen und Technologien. Allerdings besteht ein klarer Trend in Richtung Standardisierung und Interoperabilität.
Digitale Signaturen als Schlüsselthema

Ein wichtiges Hindernis für nahtloses E-Government ist die unzureichende Verbreitung der digitalen Signatur. Die Relevanz dieses Themas wird am Beispiel der BfA deutlich, die Informationen über Versicherungsverlauf und Rentenauskunft online erteilt. Jährlich werden ca. 750.000 Rentenanträge und 700.000 Anträge auf Rehabilitationsmaßnahmen gestellt. Da die bei der BfA gespeicherten, personenbezogenen Daten einem besonderen gesetzlichen Schutz unterliegen, müssen sich Nutzer bei einer Online-Abfrage mit Hilfe zertifizierter digitaler Signaturen eindeutig authentifizieren. Auch bei öffentlichen Ausschreibungen wird die digitale Signatur gebraucht: erst durch ihre Verwendung wird die Abgabe eines Online-Gebotes rechtsverbindlich. Allerdings haben digitale Signaturen bisher noch keinen weiten Kreis von Anwendern gefunden. Das BMI stellt in Bezug auf den Beschluss zur flächendeckenden Einführung der digitalen Signatur in der Bundesverwaltung fest, dass der Durchbruch für den breiten und flächendeckenden Einsatz sicherer Verfahren, d.h. digitaler Signaturen, für den elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr noch nicht gelungen ist. Dies bedeutet, dass die Ziele der E-Government Programme von Bund, Ländern und Gemeinden kurzfristig kaum zu erreichen sind.

Eine kritische Masse bei digitalen Signaturen wird nur erreicht, wenn Standards geschaffen werden, Interoperabilität gesichert wird, eine hohe Zahl von attraktiven Anwendungen zur Verfügung steht und die Kosten für die Anwender relativ niedrig sind. Um diese Voraussetzungen zu erreichen, bedarf es eines Schulterschlusses von Staat und Wirtschaft. Ein Signaturbündnis zwischen Staat und Wirtschaft, wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Auszug aus: Stobbe, A., "E-Government: Grosses Potenzial nicht ausreichend genutzt", Deutsche Bank Research, E-conomics Nr. 31, 10. Oktober 2002.

Quelle: Politik-Digital

Go to top