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Wednesday, 3.07.2024
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Testphase für die Schweizer Pilotprojekte

In drei Kantonen befinden sich Pilotprojekte für das elektronische Abstimmen und Wählen in oder kurz vor der Testphase. Dem Ziel, eine möglichst sichere Infrastruktur bereitzustellen, um politische Geschäfte per Internet oder Mobiltelefon abzuwickeln, ist man etwas näher gerückt. Doch erst nach der Evaluierung der Pilotprojekte wird über die Zukunft des E-Voting in der Schweiz entschieden werden. Elektronisches Abstimmen und Wählen soll in ein paar Jahren so selbstverständlich sein wie heute die Stimmabgabe per Post. Ebenso soll es möglich sein, Unterschriften für Initiativen und Referenden digital zu erfassen und andere politische Geschäfte elektronisch zu tätigen. Der Bundesrat hat dazu eine Strategie vorgegeben und nach dem Vernehmlassungsverfahren drei Pilotprojekte bewilligt. Seit rund vier Jahren wird bereits an der Entwicklung des «Vote électronique» gearbeitet, nun müssen die Projekte ausgiebig getestet werden. Die Sicherheitsanforderungen des Bundes sind sehr hoch, jedoch ist man in der Bundeskanzlei nicht in Eile und will lieber den Weg der kleinen Schritte gehen.

Erfolgreiche Tests im Kanton Genf

Am 26. September wurde in den vier Genfer Gemeinden Anières, Cologny, Carouge und Meyrin zum ersten Mal auf Bundesebene elektronisch abgestimmt. Davon machten, bei einer Stimmbeteiligung von 56,4 Prozent, 2723 Personen Gebrauch, das sind 21,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Inzwischen ist in einer fünften Gemeinde ein weiterer Test erfolgreich verlaufen. Am 28. November können theoretisch 40 000 Personen in acht Gemeinden per Internet über die Vorlagen des Bundes entscheiden. Dies entspricht ungefähr einem Fünftel aller Stimmberechtigten des Kantons.

Genf hat den Vorteil, ein zentrales Stimmregister zur Verfügung zu haben. Die Stimmausweise enthalten einen «Rubbel-Code» und eine Nummer, die im Verlauf der Eingabe am Computer eine eindeutige Identifizierung ermöglichen. Die Stimmen lagern in einer virtuellen Urne, die nur mit zwei passenden elektronischen Schlüsseln geöffnet werden kann. Der Code darf nur für die elektronische Abstimmung «freigerubbelt» werden. An den Urnen werden Stimmausweise mit aufgedecktem Code abgewiesen. Für Wahlen, die anspruchsvollere technische Voraussetzungen erfordern, kann das System zurzeit nicht angewendet werden.

Das Neuenburger Modell sieht einen virtuellen Behördenschalter, den «Guichet Sécurisé Unique» (GSU), vor, über den alle E-Government-Geschäfte abgewickelt werden und der mit einer elektronischen Signatur gesichert ist. Dies ist möglich, weil die meisten Neuenburger Gemeinden in einem Computernetzwerk verbunden sind und ihre Anwendungen von den städtischen Informatikdiensten betreut werden. Für die Benützer wird das Vorgehen ähnlich wie beim Online-Banking funktionieren, und die Stimmabgabe wird nur über diesen Schalter möglich sein. Die Infrastruktur soll auch das Sammeln von Unterschriften für Referenden und Initiativen zulassen. Weil man auf Sicherheit grossen Wert lege, sei man etwas verspätet, sagt Projektleiter Jean-Luc Abbet. Im Dezember werde das System für erste interne Tests bereit sein. Weitere Tests werden bis zum Frühjahr durchgeführt mit dem Ziel, im September eine erste öffentliche Abstimmung mit dem GSU durchzuführen.

Studierende testen Zürcher System

Am kommenden 22. November werden an der Universität Zürich zum ersten Mal elektronische Urnen geöffnet. Rund 22 000 Studierende erhalten die Gelegenheit, ihren Studierendenrat per Tastendruck zu wählen. Das Wahlverfahren dieses Gremiums gleicht jenem des Nationalrats. Kandidierende müssen sich auf einer Wählerliste befinden; panaschieren und kumulieren ist möglich. Die Wahl ist gleichzeitig ein Testlauf für die im Kanton Zürich entwickelten elektronischen Abstimmungssysteme. Per Internet und auch per SMS kann abgestimmt werden. Gelingt der Test, könnte das System schon bald bei kantonalen oder kommunalen Vorlagen ausprobiert werden. Dazu müssen die Stimmregister der Gemeinden in ein zentrales virtuelles Register überführt werden, das aber nur temporär bestehen bleibt. Ähnlich wie im Kanton Genf wird zur Identifizierung ein Nummerncode auf den Stimmausweis gedruckt, der ins System eingegeben werden muss. Ein Strichcode auf dem Ausweis verhindert, dass eine Person zusätzlich an der realen Urne abstimmen kann.

Warum braucht es überhaupt drei verschiedene Projekte? Hans-Urs Wili, Sektionsleiter der Bundeskanzlei, nennt zwei wichtige Gründe. Die föderalistischen Wahlsysteme der einzelnen Kantone müssten berücksichtigt werden. Für eidgenössische Abstimmungen könne kein anderes Prozedere gelten als bei gleichzeitig stattfindenden Gemeinde- und Kantonalabstimmungen. Zweitens sei der Tradition der Kantone Rechnung zu tragen. So kenne beispielsweise der Kanton Zürich die Stellvertreter-Abstimmung, der Kanton Bern jedoch nicht. Man könne davon ausgehen, dass es kein einheitliches System für die ganze Schweiz geben werde.

Die Bundeskanzlei als Auftraggeberin koordiniert und prüft die drei Pilotprojekte. Nach Abschluss der Tests wird sie ein Evaluationsverfahren durchführen und einen Bericht für den Bundesrat erstellen. Aufgrund der Evaluation wird der weitere Weg des E-Voting bestimmt. Lieber gehe man Schritt für Schritt vor, denn die Sicherheit sei absolut prioritär, sagt Hans-Urs Wili. Man könne es sich nicht leisten, eine eidgenössische Abstimmung wegen technischer Mängel für ungültig zu erklären. Das Vertrauen in das Verfahren wäre unwiderruflich zerstört und die Kosten, die dem Bund daraus entstünden wären unabsehbar, meint Wili. Es geht jedoch nicht nur um Schutz vor Manipulationen oder Systemabstürzen, auch der Datenschutz und der korrekte Datentransfer müssen gewährleistet sein.

Auslandschweizer einbinden

Eine besondere Knacknuss ist die Einbindung der Auslandschweizer ins E-Voting. Zwar sind diese nur zu eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen zugelassen, ihre Registrierung erfolgt jedoch in der Heimat- oder der letzten Wohngemeinde. Selbst wenn die Infrastruktur in der Schweiz einwandfrei funktioniert, ist noch nicht gewährleistet, dass eine Übermittlung der elektronischen Stimme aus der Ferne klappt.

Kleine Gemeinden könnten daher mit der Sicherstellung des elektronischen Zugangs überfordert sein. Die Projektleiter der drei Kantone sind jedoch überzeugt, dass hier eine Lösung gefunden werden kann, indem man den kleinen Gemeinden EDV-Support anbietet. Damit wäre wieder ein Schritt in Richtung «Vote électronique» getan.

Autor: Isabelle Imhof

Quelle: NZZ online, 12.11.2004

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