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Monday, 1.07.2024
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Kritische Stimmen zum Erfolg von WiMAX

Während sich für die für den schnellen mobilen Internetzugang WiMAX benötigten Lizenzen ein Wettsteigern abzeichnet, mehren sich gleichzeitig die kritischen Stimmen. Auf der Euroforum-Konferenz "WiMAX - Marktchancen des Breitband-Funkstandards" warnte der Vorsitzende Prof. Dr. Gerpott beispielsweise vor der Erfahrung mit der Wireless Local Loop (kurz WLL). Vor etlichen Jahren öffentlichkeitswirksam als Alternative auf der "letzten Meile" von der Regulierungsbehörde vergeben wurde es dann zunehmend ruhiger um WLL. Inzwischen sind die meisten WLL-Anbieter pleite und die Lizenzen zurückgegeben. Die inzwischen in Bundesnetzagentur umbenannte Regulierungsbehörde versteigert nun dieselben Frequenzbereiche erneut für WiMAX. Neues Spiel, neues Glück?

Deutlich warnte Dr. Dr. Werner Trattnig von Price Waterhouse Coopers vor zuviel Euphorie. Für einen Kunden hätte man einen Geschäftsplan konkret durchgerechnet. Dieser sah für ein Gebiet mit acht Millionen Einwohnern Investionen von 80 Millionen Euro vor. Ernüchterndes Ergebnis: Erst 2016 übersteigen die Erlöse die anfängliche Investition! Schneller wird dieser Break even erreicht, wenn der Lieferant der WiMAX-Technik das Netz selber aufbaut und wartet sowie die dafür nötigen Geldmittel durch innovative Methoden finanziert. Doch auch dann dauert es etliche Jahre, bis der Dienste-Anbieter, der an den Technik aufbauenden Technik-Lieferanten ein Nutzungsentgelt pro Fläche, Bandbreite und Monat bezahlt, im Massengeschäft attraktive Umsätze und Gewinne realisiert.

Die Empfehlung von Herrn Trattnig sind folglich umfangreiche Kooperationen. So würde es sich schon in einem beispielhaften Ort mit 10000 Haushalten, davon 2500 Haushalte ohne DSL-Versorgung nicht lohnen, wenn jeder der drei WiMAX-Lizenznehmer eine eigene Basisstation aufbauen würde. Andererseits müssten solche Kooperationen beim Kartellamt angemeldet und von diesem auch genehmigt werden. Hier droht zusätzlicher Zeitverzug, denn derzeit sieht die Bundesnetzagentur den drahtlosen Breitbandzugang als eigenen Markt, was natürlich Kooperationen der jeweils nur drei Anbieter in einer Region nach den Kartellgesetzen verbieten würde. Sieht man WiMAX hingegen als Konkurrenzprodukt zu DSL und UMTS, dann wären Kooperationen der neuen WiMAX-Anbieter kartellrechtlich unbedenklich. Komplizierte Lobbyarbeit oder gar Gerichtsprozesse stehen bevor.

Standardisierung kommt gut voran

Als Mitglied des WiMAX Forum überbrachte Dr. Trattnig aber auch eine gute Nachricht: Die Standardisierung kommt demnach gut voran, für das als DSL-Ersatz gedachte "stationäre" WiMAX gemäß Standard IEEE 802.16-2004 gibt es bereits eine Reihe von zertifizierten Basisstationen und Endgeräten. Für den "mobilen" 2005er Standard laufen die Vorbereitungen für die Tests auf Hochtouren. Damit sind in absehbarer Zeit getestete und zertifizierte Endgeräte zu erwarten, insbesondere PC-Karten.

Netzbetreiber, die erst Ende dieses Jahres in Deutschland überhaupt eine Lizenz erhalten, sollten folglich die stationäre Technik überspringen und gleich "mobiles" WiMAX einsetzen, zumal für dieses auch die Endgeräte voraussichtlich günstiger sein werden. Hier ist insbesondere Intel als treibende Kraft zu nennen, die WiMAX-Funktionen in künftige Versionen des bei Laptops marktführenden Centrino-Chipsatzes einbauen will.

Einsatz

Ein positives Bild von der Technik zeichnete auch die WiMAX Telecom, die in Österreich und der Slowakei bereits WiMAX-Netze in Betrieb hat. Noch dieses Jahr soll der Dienst auch in Kroatien starten, in anderen osteuropäischen Ländern laufen die Vorbereitungen. Besonders lobte Herr Ziegelwanger die schnelle und günstige Lizenzvergabe in den genannten Ländern. Für Österreich wurden etwa nur 200 000 Euro bezahlt.

Aktuell wurden bereits 4 000 Kunden akquiriert, die in Österreich überwiegend zu Einsteiger-Konditionen (1024 kBit/s downstream, 256 kBit/s upstream, 500 MB Datenvolumen inklusive für 19,90 Euro) surfen. Hauptzielgruppe sind Breitband-Einsteiger, nicht DSL-Wechsler, obwohl Herr Ziegelwanger auch den Preisvorteil im Vergleich zu klassischen DSL-Anschlüssen herausstellte. Telefonie wird über das SIP-Protokoll angeboten; spezielle QoS-Mechanismen im Netz sorgen dafür, dass für Sprach-"Verbindungen" jeweils ausreichend Bandbreite reserviert wird.

Unklare Frequenz-Situation

Aktuell werden WiMAX-Lizenzen vor allem im Bereich um 3,5 GHz vergeben. Diese ist noch höher als die derzeit bei GSM (0,9/1,8 GHz) oder UMTS (2,1 GHz) verwendeten Frequenzen, folglich ist die Reichweite eher kürzer. Nur intelligente Technik in den Basisstationen - Stichwort "Beam Forming" - verhindert, dass man für ein innerstädtisches "mobiles" WiMAX-Netz bei 3,5 GHz noch mehr Basisstationen aufbauen muss als für ein UMTS-Netz.

Großes Interesse besteht somit an zusätzlichen WiMAX-Lizenzen im Bereich 2,5 GHz. Diese Frequenzbänder sind jedoch auch für das UMTS-Erweiterungsband vorgesehen und so ist die Lobby-Arbeit auf beiden Seiten bereits voll entbrannt, jeweils mit dem Ziel, diese Frequenzbänder möglichst für die der Lobby-Gruppe gewünschte Technologie zu vergeben.

Mit den 2,5 GHz-Frequenzen könnte ein WiMAX-Netz grundsätzlich effizienter aufgebaut werden als ein aktuelles UMTS-Netz. Andererseits schläft auch die UMTS-Entwicklung nicht. Beam Forming und MIMO ("Multiple Input, Multiple Output") stehen dort ebenfalls auf der Agenda.

Fazit: Chancen und Risiken

Mehrere Redner sprachen von dem "engen Zeitfenster", das für die Einführung von WiMAX bleiben würde. Würde man zu lange warten, dann hätten DSL und UMTS (bzw. dessen Verbesserungen HSDPA und HSUPA) den Breitbandmarkt unter sich aufgeteilt. Dann hätte es die neue Technologie entsprechend schwerer, sich Marktanteile zu erkämpfen.

Derzeit haben die meisten WiMAX-Anbieter vor allem den Datenmarkt im Visier. VoIP-Sprachtelefonie wird zwar in der Regel gleich mit angeboten, aber als "Festnetzersatz" nicht als großer Umsatzbringer gesehen. Reine WiMAX-Sprachtelefonie als "Mobilfunkersatz" wurde von keinem der Vortragenden als Geschäftsmodell vorgeschlagen, obwohl diese grundsätzlich denkbar ist. Beim aktuellen Stand will wohl keiner der WiMAX-Verfechter im Kernmarkt der Mobilfunk-Netzbetreiber wildern.

Aber auch im Bereich der Datendienste gibt es mehr Überschneidungen, als beiden Seiten wahrscheinlich lieb ist. Es ist nicht sonderlich wahrscheinlich, dass "nomadische" Computernutzer sich UMTS-Karte und WiMAX-Karte anschaffen, um immer den optimalen Zugang nutzen zu können. Für UMTS spricht die viel bessere Abdeckung, dank GPRS/EDGE-Fallback sogar in vielen abseits gelegenen Gebieten, und der bereits etablierte Dienst. WiMAX punktet hingegen mit den höheren möglichen Bitraten, mit der in vieler Hinsicht einfacheren Technik und mit dem Versprechen Intels, die neue Technik millionenfach in künftigen Laptops verbauen zu wollen.

Am Ende entscheiden Stückzahl und Preis

Am Schluss entscheiden Stückzahl und der daraus resultierende Preis beim Kampf um die vorherrschende Datenanbindung für den Laptop. Dabei kann es durchaus sein, dass sich verschiedene Technologien durchsetzen, etwa WiMAX in den USA und Teilen Asiens sowie UMTS inklusive Nachfolger in Europa und anderen Teilen Asiens.

Aber es gibt ja nicht nur Laptops sondern unzählige andere Endgeräte, die künftig einen Zugang zu Weitverkehrsnetzen haben werden, etwa die tragbare Spielekonsole (für mobile Online-Spiele) oder die Digitalkamera (zum sofortigen Fotoversand). Hier sind für WiMAX viele Geräte angekündigt. Bis diese aber in wirklich attraktiven Bauformen und mit geringem Stromverbrauch WiMAX-fähig auf dem Markt sind, wird wie bei UMTS viel Zeit vergehen. Denn die schon vor Jahren versprochenen attraktiven UMTS-Handys sind erst seit diesem Jahr wirklich verfügbar.

Am Schluss droht, dass WiMAX zum reinen "DSL-Lückenbüßer" wird. Damit lohnen sich aber Milliardeninvestitionen für den Aufbau mobiler und flächendeckender WiMAX-Netze in Deutschland nicht oder erst nach sehr langen Zeiträumen. Ebenso kann es aber sein, dass WiMAX schon sehr bald erhebliche Anteile des schnell wachsenden mobilen Datenmarktes akquiriert, und zu einer ähnlichen Erfolgsgeschichte wird, wie damals GSM. Investoren sollten auf jeden Fall Beharrlichkeit und Standvermögen mitbringen. Wem schon nach sechs Monaten das Geld ausgeht, der verpasst die Chance nämlich auf jeden Fall.

Autor(en)/Author(s): Kai Petzke

Quelle/Source: teltarif, 27.07.2006

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