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Monday, 30.09.2024
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Die Beratung von Behörden und Regierungsstellen boomt. Doch der Wachstumsmarkt stellt ungewohnte Anforderungen an die Branche.

Wegen der schwachen Nachfrage nach Beratungsleistungen suchen die Consultants nach neuem Geschäft - und haben dabei die öffentliche Verwaltung als Kunden entdeckt. "Da ist eine neue Nachfrage entstanden, daher haben wir unser Angebot verstärkt", sagt Dieter Heuskel, Deutschland-Chef der Boston Consulting Group (BCG). Die Unternehmensberatung McKinsey baut den Geschäftsbereich "Public Sector" seit zwei Jahren gezielt aus. Und der Sprecher der Geschäftsführung bei Booz Allen Hamilton, Klaus-Peter Gushurst, sagt: "Im Public Sector liegt enormes Wachstumspotenzial." In der Tat: Der Bedarf der öffentlichen Hand nach Beratungsleistungen ist im vergangenen Jahr um sechs Prozent gestiegen, hat der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) ermittelt. Kein schlechter Markt also für die Beraterbranche, deren Gesamtumsatz im Jahr 2002 mit 12,3 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent zusammengeschrumpft war.

"Kulturschock auf beiden Seiten

Doch die Beratung von Verwaltung und Behörden hält für die sonst so gewieften Consultants einige Tücken bereit. "Manche Berater sind dort nicht gut aufgehoben", sagt Dietmar Fink, Professor für Management an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Branchenexperte Fink spricht gar von einem "Kulturschock auf beiden Seiten", wenn ein an der Elite-Uni Harvard ausgebildeter Consultant, der bislang in Vorstandsetagen ein- und ausging, auf die Mitglieder einer Stadtverordnetenversammlung trifft: "Ich frage mich, ob der mit den Kunden so umgehen kann, wie die es sich wünschen", sagt Fink. Andererseits dürfte der Frust einiger Berater erheblich sein, wenn sie merken, dass Verwaltungsvorschriften wirkliche Veränderungen nicht eben leicht machen.

Manche Beratungsunternehmen hätten denn auch Probleme, auf die besonderen Bedürfnisse der Verwaltung einzugehen, sagt Constantin Alsheimer, Büroleiter des Stadtkämmerers von Frankfurt/Main. Das Zustandekommen von Beschlüssen, die Veränderung von Verwaltungsstrukturen, all das unterliege strengen juristischen Regelungen: "Diese speziellen Kenntnisse sind nicht selbstverständlich, auch nicht bei sehr anerkannten Unternehmensberatungen mit viel Know-how." Klar, dass die Consultants angesichts dieser weit verbreiteten Skepsis erst einmal mühsam um Vertrauen werben und auf die Behörden zugehen müssen. "Die Berater müssen aktiv sein und mit den Behörden diskutieren, um Beratungspotenzial zu generieren", sagt ein Consultant.

Dabei ist die Idee, Behörden als Kunden zu ködern, gar nicht neu. Bereits vor zehn Jahren entwickelte sich dieser Markt, doch das Interesse ging schnell wieder zurück, weil die Berater nicht die Tagessätze bekamen, die sie aus der freien Wirtschaft gewohnt waren.

Der Branche geht es nicht gut

Diese Arroganz kann sich die Branche heute nicht mehr erlauben. Nach BDU-Angaben zog zwar die Nachfrage nach schnell wirkender Organisationsberatung im Jahr 2002 deutlich an, die Umsätze mit langfristig wirkender Strategieberatung gingen dagegen um 13,6 Prozent zurück. Branchenexperte Fink schließt daraus: "Das Angebot an den öffentlichen Dienst ist ein Indiz dafür, dass es der Branche derzeit nicht gut geht."

Doch nicht nur die Berater bewegen sich notgedrungen in den Markt Public Sector hinein, auch der Bedarf der öffentlichen Verwaltung nach Beratung ist gestiegen, sagt BCG-Deutschland-Chef Heuskel: "Verwaltungsabläufe werden zunehmend verschlankt, Teile der öffentlichen Hand werden privatisiert. Dafür werden Berater gebraucht."

Die weltweit tätige Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton erwirtschaftet im deutschsprachigen Raum derzeit rund 20 Prozent ihres Umsatzes (2002: 160 Mio. Euro) mit der Beratung der öffentlichen Verwaltung. Bald sollen es schon 30 Prozent sein. Deutschland-Chef Gushurst: "In den USA ist es bereits Usus, dass Regierungsbehörden mit externen Beratern zusammenarbeiten."

Chance auf gutes Geschäft

In Deutschland werde das noch zwei bis drei Jahre dauern, sagt Gushurst voraus. Booz Allen bringt sich dafür schon jetzt in Position. Die Beratung gründet rückwirkend zum April eine Unternehmenstochter, die sich auf die Beratung des öffentlichen Sektors durch spezielle Berater konzentriert.

Sollte es den Consultants gelingen, die Anfangsschwierigkeiten im neuen Markt in den Griff zu kriegen, könnte sich das durchaus lohnen, sagt Professor Fink: "Beratungsunternehmen wie BCG und McKinsey haben dann Chance auf ein gutes Geschäft, wenn es um die Freihandvergabe von Einzelprojekten geht." Hierbei werden die Aufträge nicht ausgeschrieben, sondern nach dem Motto vergeben: Wir wollen den besten, nicht den billigsten Berater. Auch große Projekte, die langfristig geplant werden können, gelten als profitabel.

Bei ihrer Arbeit für Regierungsbehörden dürften sich die Berater künftig auch mit neuen Themen beschäftigen, sagt Gushurst voraus: "Vieles wird sich aus den Erfahrungen in anderen Staaten ableiten, besonders aus den USA." Dann würde es nicht mehr um die Privatisierung von Müllverbrennungsanlagen gehen, sondern etwa um "Sicherheit und Krisenprävention" - ein wichtiges Thema für US-Behörden seit den Anschlägen vom 11. September.

Quelle: Financial Times Deutschland

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