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Monday, 20.05.2024
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"Herr K.? Wo sind Sie denn?" Die Sprachtherapeutin Maria Bley sitzt vor einem kleinen Monitor. Auf dem Bildschirm sieht man ein Sofa. Die vierzig Kilometer entfernte Webcam bringt Herrn K. schließlich ins Bild - die Therapie kann beginnen. Herr K. ist einer von zehn Schlaganfallpatienten, die in Brandenburg mit samt ihren Ärzten und Therapeuten online gegangen sind. Jetzt werden sie erstmal wieder vom Netz genommen. Ermöglicht hat es das Projekt TeleMOM des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik (IBMT). Die Philosophie: Langfristig behandlungsbedürftige Patienten müssen ihren Arzt oder Therapeuten nicht mehr mühsam Woche für Woche aufsuchen. Stattdessen bringt eine ISDN-Leitung den Medizinbetrieb zu den Patienten nach Hause, etwa in Person der Sprachtherapeutin Maria Bley. Sie arbeitet in der Rehabilitationseinrichtung "Brandenburgklinik" in dem kleinen Ort Wandlitz, ein Stück nördlich von Berlin.

Von ihrem Schreibtisch aus versendet sie jeweils zum Wochenende eine Reihe von Übungen, mit denen Herr K. am Rechner im Wohnzimmer sein Sprachverständnis trainieren kann. Denn das Verstehen, nicht so sehr das Reden, hat bei ihm unter dem Schlaganfall im vergangenen Sommer besonders gelitten. "Am Montagmorgen hole ich mir dann die Ergebnisse per Mausklick auf den Schreibtisch", beschreibt Bley ihre wöchentliche Telearbeit. Auf Wunsch kann der Computer die Resultate auch noch statistisch auswerten. Wenn sie weiß, was sie wissen muss, setzt sie sich vor die Webkamera, wählt die Telefonnummer des Patienten und beginnt ihre wöchentliche Videovisite. "In diesen zehn bis fünfzehn Minuten besprechen wir dann live die Aufgaben und eventuelle Schwierigkeiten. Viele erzählen aber auch einfach nur gerne von ihrem Alltag, und ich höre zu", sagt Bley. Wie in der echten Praxis geht es auch bei Herrn K. nicht nur um seine Sprachschwierigkeiten, sondern eben auch um die Kaninchen, die er am Nachmittag schlachten möchte oder um den neuen Fotoapparat, mit dem der redselige Patient seine Tele-Therapeutin auch gleich fürs Album festhält. "Ein bisschen ein Familienereignis" seien die wöchentlichen Televisiten für viele ihrer Patienten, erzählt die Logopädin.

Joint Venture für die Behandlung zu Hause

Anfang Oktober 2003 ist die auf ein Jahr befristete Projektphase von TeleMOM abgelaufen. Die ISDN-Leitung in den Wohnzimmern werden abgeknipst, die Computer demontiert. Die verantwortliche Arbeitsgruppe um die IBMT-Mitarbeiterin Kerstin Rohm hat praktisch vorgeführt, worüber Technologiefreaks schon seit Jahren reden: Die so genannte Patientenfernüberwachung könnte der von Gesundheitspolitikern landauf, landab geforderten integrierten Versorgung den vielleicht entscheidenden Impuls geben. Patienten bleiben dabei nur so lange im Krankenhaus, wie es unbedingt erforderlich ist. Die restliche Betreuung geschieht ambulant, in einer Art Joint Venture durch Therapeuten, niedergelassene Ärzte und Kliniken gleichermaßen.

Im TeleMOM-Projekt haben die Patienten außer den logopädischen Übungen auch noch ihre Blutdruck- und Blutzuckerwerte, ihr Gewicht und den Sauerstoffgehalt ihres Blutes übermittelt. Diese Werte allerdings landeten nicht in der Rehaklinik Wandlitz, sondern auf der Schlaganfallstation von Dr. Hans-Christian Koennecke im Berliner Klinikum "Königin Elisabeth Herzberge", wo Spezialisten sofort einschreiten konnten, wenn ein neuer Schlaganfall drohte. Die nötigen Messungen erledigten die Patienten mit kommerziell erhältlichen Messgeräten, die mit der Telemedizinstation in ihrem Wohnzimmer drahtlos und ohne ihr Zutun kommunizieren konnten. "Keep it simple" lautete die Devise.

"Die zehn Patienten, denen wir die Fernbetreuung anbieten konnten, waren sehr motiviert und haben gerne und ohne größere Probleme mit der Technik gearbeitet", sagt Professor Stephan Bamborschke, der Leiter der Abteilung für Neurologie an der "Brandenburgklinik". Er bedauert sehr, dass er die Teletherapie erst einmal wieder aus dem Programm nehmen muss: "So wie das Vergütungssystem im Moment gestaltet ist, können wir als Klinik das nicht außerhalb eines Projekts wie TeleMOM anbieten, denn für uns bedeutet das letztlich unbezahlte Zusatzarbeit." Anders könnte es aussehen, wenn etwa ein ambulant tätiger Sprachtherapeut oder ein mit Ärzten bestücktes Überwachungszentrum ein Tele-Engagement extra bezahlt bekäme, doch auch da gibt es im Moment noch keine verbindliche Regelung. Dass TeleMOM medizinisch ein Erfolg war, davon ist Bamborschke überzeugt: "Gerade in Brandenburg sind die Wege zum nächsten Logopäden oft weit. Die Fernbetreuung kann da eine echte Erweiterung der Rehabilitation nach einem Schlaganfall sein".

Quelle: Spiegelonline

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