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Sunday, 29.09.2024
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"Kein einziges Digitalfunkgerät, dafür aber schon eine Behörde"

Die Einführung eines bundesweit einheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunksystems ist notwendig und sollte zeitnah umgesetzt werden. In dieser Auffassung waren sich die Experten heute während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages in Berlin einig. Zur Diskussion stand ein Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Er sieht vor, das gegenwärtige analoge Funksystem der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) durch ein digitales System zu ersetzen. Zu diesem Zweck ist die schnelle Einrichtung einer Bundesanstalt für Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) geplant, die die Interessen von Bund und Ländern wahrnehmen soll. Dazu äußerten sich die Experten mehrheitlich ablehnend. Norbert Hauser, der Vertreter des Bundesrechnungshofes, bezeichnete das Gesetzesvorhaben als sehr dringlich. Jedoch müsse man zwischen der Dringlichkeit und der Einrichtung einer Anstalt unterscheiden. "Ich halte die Errichtung einer Anstalt zum gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht, weil die inhaltlichen Parameter dessen, wie diese Anstalt aussehen soll, noch nicht feststehen", sagte Hauser. Noch fehle ein "belastbarer Konsens" über die Aufteilung der Arbeit zwischen Bund und Ländern. Deutliche Kritik an dem Gesetzentwurf äußerte Dirk Heckmann, Professor an der Universität Passau und Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Er bezog sich dabei vor allem auf verfassungsrechtliche Aspekte und bemängelte die Konstruktion der Satzung für die einzurichtende Bundesanstalt.

Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern umstritten

In der bisherigen Variante sieht der Entwurf vor, in der Satzung die Bestellung, Abberufung und Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Präsidenten zu regeln. Gleichzeitig soll aber die Satzung durch den Präsidenten erst erlassen werden. "Wenn ich die Satzung aber noch gar nicht habe, kann ich auch keinen Präsidenten bestellen", erläuterte Heckmann die Widersprüche. Sein Resümee fiel deshalb negativ aus: "Im Grund ist das Gesetz so nicht wirksam umzusetzen. Es besteht dringender Bedarf, die Bestellung des Präsidenten und die Satzung zu ändern."

Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern bezeichnete er, ähnlich wie Hauser, als Schwachstelle. Zwar müsse man mit dem Spannungsfeld zwischen Bund- und Länderkompetenzen leben. Es könne aber in diesem Zusammenhang aufgelöst werden, sofern das Gesetz entsprechende Regelungen eindeutig fixiert. "Das Gesetz enthält aber keinerlei Angaben über eine solche genaue Aufteilung", so Heckmann. Ihm fehle "inhaltliche Substanz", weshalb er "größte verfassungsrechtliche Bedenken" geltend machte.

Aus den Bundesländern signalisierte Rüdiger Korp, Staatssekretär im Innenministerium von Nordrhein-Westfalen Zustimmung zu dem Entwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. "Wir brauchen von Seiten der Industrie einen Auftraggeber, einen verlässlichen Partner und nicht eine Gremienwelt. Deshalb ist eine einheitliche BOS-Stelle zu begrüßen."

Kritischer äußerte sich dazu Harald Lemke vom hessischen Finanzministerium: "Mit diesem Projekt wurde ein rechtlich frei schwebender Zustand geschaffen." Die genaue Aufgabenbeschreibung der Bundesanstalt fehle zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch, so Lemke. Außerdem bemängelte er, dass die Länderkompetenzen nicht ausreichend fixiert seien: "Die Bundesländer bleiben bis zum Abschluss eines Verwaltungsabkommens aufgrund des eigenmächtigen Verhaltens des Bundes vom Prozess ausgeschlossen", sagte er. Seiner Meinung nach fehlt darüber hinaus auch eine fachliche Grundlage für dieses Gesetz.

Albrecht Broemme, für die Feuerwehr als Experte geladen, unterstrich die Dringlichkeit eines solchen Vorhabens: "Gegenwärtig ist der Funkkontakt unseres Rettungsdienstes leicht abhörbar. Das würde durch digitale Technik endlich verhindert werden. Das analoge Funksystem ist veraltet und kostet viel Geld. Das sagen wir seit fünf Jahren."

"Würden die Pläne von Bundesinnenminister Otto Schily zur Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk Wirklichkeit, wäre dies ein Sieg der Bürokratie über die Vernunft. Wir hätten dann zwar noch kein einziges Digitalfunkgerät, dafür aber schon eine Behörde", kommentierte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Ernst Burgbacher.

Autor: (as)

Quelle: de.internet.com, 27.06.2005

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