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Monday, 1.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Von der Eingangsrechnung bis zur E-Mail - mit Dokumenten-Management-Systemen (DMS) lässt sich heute so ziemlich alles verwalten. Doch nicht jedes Produkt kann alles gleich gut: Die spezifische Anwendungsumgebung ist entscheidend bei der Systemauswahl. Lohnt sich ein DMS überhaupt für kleine und mittlere Unternehmen? Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie unbefriedigend: Ja, aber nicht in jedem Fall.

Worauf es heute ankommt, ist, die Informationen, die in Dokumenten stecken, möglichst effizient zu beschaffen und zu verarbeiten. Dies wird in allen Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, immer wichtiger. Schon bei mehr als zehn Mitarbeitern, die Kunden- oder Projektakten verwalten, Zeichnungsablagen organisieren oder Aufträge abwickeln, kann ein DMS signifikante Unterstützung leisten.

Rechnet man mit einer Produktivitätssteigerung von nur fünf Prozent - eine Vorgabe, die ausgehend von papiergebundener Arbeit leicht zu erreichen ist -, ergibt dies bei 20 Mitarbeitern eine Ersparnis von einem Mitarbeiter oder eine entsprechende Erhöhung der Produktivität. Diese Veränderung ist alleinige Folge aus der Entlastung der Mitarbeiter von papierbezogenen Tätigkeiten, wie Dokumentsuche, Kopieren oder Aktenanforderung. Grund genug für immer mehr Mittelständler, sich nach Möglichkeiten einer solchen Lösung zu erkundigen. Interessant sind für den Anwender Standardprodukte, da diese durch Customizing ohne aufwändige Programmierung angepasst werden können. Angebote, die mehr als 30 Tage Programmierarbeit erfordern, sind meist zum Scheitern verurteilt. Denn die typischen Anforderungen rechtfertigen einen derart hohen Aufwand nicht, zumal diese Änderungen in späteren Produktversionen immer wieder nachgezogen werden müssen.

Was ein Anbieter können muss

Der Anwender kann zu Recht erwarten, dass ein DMS-Anbieter Erfahrung in seinem Umfeld hat und entweder selbst oder über Partner entsprechende Standardprodukte anzubieten in der Lage ist.Relevant wird der Branchenfokus des Anbieters vor allem bei Lösungen, die speziell im Produkt- oder Engineering-Data-Management eingesetzt werden. Hier geht es nicht nur um die Integration einer ERP-Anwendung zur Dokumentübernahme, sondern um Spezialthemen wie Zeichnungsverwaltung, Freigabe-Management, Baugruppen- und Stücklistenverwaltung oder Auftragsplanung der Produktion.

Noch wichtiger als die Branchenausrichtung des Anbieters sind die funktionalen Anforderungen: Sie sollten letztendlich für die Auswahl den Ausschlag geben, nicht die vorhandene Beziehung zu einem Systemhaus.

Was bei der Entscheidung für ein DMS auf jeden Fall eine bedeutende Rolle spielen sollte, sind die Support-Strukturen. Kleine und mittlere Unternehmen brauchen Lösungen, die zwei Vorteile bieten: Der Support muss vor Ort erfolgen, und das DMS-Produkt muss einen Reifegrad besitzen, der es erlaubt, dass möglichst viele administrative Änderungen durch eigene Mitarbeiter durchgeführt werden können.

Ob dies bei einem DMS-Produkt möglich ist, lassen die Bitmap-überladenen Vertriebspräsentationen jedoch meist nicht erkennen. Hier hilft nur ein Workshop mit klar definierten Aktionen, die man live am System vorgeführt habenmöchte.Die funktionalen Anforderungen müssen im Detail auf den Punkt gebracht werden. Dabei geht es zunächst um Grundsätzliches, wie etwa die Frage:Betreibe ich das System selbst, oder soll dies ein Dienstleister in Form von Application Service Providing (ASP) für mich übernehmen? Schon dieses Kriteriumgrenzt die Auswahl erheblich ein, da nicht jeder Anbieter ASP unterstützt oder über entsprechende Partner verfügt. In der Sache selbst gibt es Argumente für jede der beiden Varianten, doch in der Realität entscheiden sich die Mittelständler überwiegend für die Inhouse-Lösung: Sie geben ihre geschäftskritischen Dokumente nicht außer Haus. Also lautet die Basisanforderung an das DMS: Kompatibilität zur eigenen Hard- und Softwareumgebung.

Die Plattformen für Server, Client und Datenbanken, die unterstützt werden müssen, ergeben sich größtenteils aus der vorhandenen Infrastruktur. Dennoch geht es hier nicht ausschließlich um Bits und Bytes, wie das Beispiel Web-Client zeigt. Ein Web-Client ermöglicht den Zugriff auf die Applikation per Internet-Browser. Er erleichtert die Administration und kann bei Bedarf in ein Intranet- oder Internet-Portal eingebunden werden. So lassen sich andere Standorte oder Partnerunternehmen auf einfache Weise anbinden.Allerdings besitzen die Web-Lösungen der DMS Anbieter meist einen geringeren Funktionsumfang als der proprietäre Client.

Belegfluss analysieren

Für die Archivierung der Dokumente sind vorhandene Plattensysteme meist ausreichend.Eine Jukebox mit optischen Speichersystemen kann nur über die Unveränderbarkeit (Revisionssicherheit) begründet werden, die sich aber auch ohne den Einsatz dieser Technologie erreichen lässt:Viele kleinere Unternehmen archivieren alle Dokumente auf vorhandenen Plattensystemen und schreiben parallel eine CD oder DVD für die Betriebsprüfer. Diese ist revisionssicher, recherchiert wird von der Festplatte.

Scannen ist Pflicht. Worauf es ankommt, ist, den künftigen Belegfluss detailliert zu analysieren.Wo wird erfasst? Welche Mengen fallen an? Ist der Einsatz von Barcode- oder OCR-Technologie bei 100 Eingangsrechnungen am Tag überhaupt sinnvoll? Ohne eine detaillierte Betrachtung des Beleggutes geht hier nichts, da beispielsweise ein Hochleistungsscanner nur wenig Nutzen bringt, wenn die Indizierung nicht ebenfalls automatisiert werden kann. Dokumentarten wie Eingangsrechnungen oder Kundenkorrespondenz sind viel zu heterogen, als dass Automatisierungstechniken zur Belegerfassung wirtschaftlich eingesetzt werden könnten.

Wann sich Automatisierung lohnt

Bei strukturierten Belegarten wie Fertigungsbelegen oder Stundenzetteln ist eine automatische Indizierung über Barcode- oder OCR-Techniken hingegen auch für kleinere Belegmengen wirtschaftlich nutzbar. Intelligente Belegerfassungslösungen, die darüber hinausgehen, bieten die meisten DMS-Anbieter oder spezialisierte Partner an. Es ist aber sorgfältig zu prüfen, ob der Nutzen der automatischen Indizierung die meist hohen Preise der Produkte rechtfertigen. Ein wirtschaftlicher Einsatz, also eine signifikante Reduzierung der Indizierungszeiten, ist erst bei einem täglichen Scan-Volumen von mehr als 500 Dokumenten möglich.

ERP-Anwendungen integrieren

Auch wenn die elektronische Dokumentenverwaltung meist bei Belegen aus den kaufmännischen Anwendungen ansetzt: Die Zuordnung einer E-Mail aus Outlook oder dem Notes-Client in eine Kunden- oder Projektakte, die auch gescannte oder Office-Dokumente enthält, ist eine Pflichtfunktionalität, da nur so eine vollständige Informationsbasis im DMS entstehen kann.

Eine weitere wichtige Forderung ist die nach Integration von vorhandenen ERP-Anwendungen. Damit eine vollständige Vorgangsoder Kundensicht möglich ist, sind neben gescannten Dokumenten oder E-Mails auch die Daten der Warenwirtschaft, der Buchhaltung oder eines CRM-Systems erforderlich. Hier kann sich eine Branchenausrichtung des DMS-Anbieters auszahlen - wenn er die beim Kunden eingesetzte Anwendung kennt. Er sollte wissen, welche Informationen bei welchem Geschäftsvorfall erforderlich sind und welche technischen Schnittstellen zur Anbindung vorhanden sind.

Standard nicht gleich Standard

Standard-Archivschnittstellen bieten ausschließlich SAP und ADP (Paisy) an. In allen anderen Anwendungsumgebungen muss die Integration projektbezogen individuell vorgenommen werden. Selbst wenn einige DMS-Anbieter vollmundig mit einer „Standard“-Baan-Integration oder einer „Standard“-Navision-Integration werben, beschränken sich diese häufig auf die Bereitstellung vorkonfigurierter Cold-Jobs (Cold = Computer Output on Laserdisk) zur Archivierung ausgehender Dokumente. Eine Retrieval-Integration ist dann schon nicht mehr „Standard“. Die Anbieter der auf diese Weise integrierten betriebswirtschaftlichen Anwendungen wissen häufig kaum von der Existenz besagter Standardschnittstelle, bei Release-Wechseln der Standardanwendung kann es daher durchaus zu Schnittstellenproblemen kommen. Aber auch bei SAP gibt es Stolpersteine. Zwar kann die Anwendung zertifiziert sein, doch arbeiten gerade kleinere DMS-Anbieter oft mit Partnern, welche die Schnittstellensoftware zu SAP für einen DMS-Anbieter entwickeln und bei der Zertifizierung unterstützen. Funktional gibt es hier keine Einschränkungen, allerdings ist das SAP-Know-how bei den DMS-Anbietern selbst meist nicht besonders groß. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass Referenzen der gleichen Integrationslösung als Entscheidungsgrundlage unbedingt erforderlich sind.

Auf Erfahrungswerte bauen

Mit auf der Anforderungsliste mittelständischer Betriebe steht fast immer auch eine Prozessunterstützung durch Workflow. Schließlich bringt nicht nur die schnelle Recherche nach Informationen Nutzen, sondern auch die elektronische Bearbeitung von Dokumenten. Allerdings sollten Anwender einen Schritt nach dem anderen tun: Erst wird die Archivierung organisiert, dann werden die Scanner an den Posteingang „gezogen“.

Ganzheitliche Betrachtung

Die Anforderungen an typische Workflow-Anwendungen, etwa bei Rechnungsprüfung und Freigabeprozessen aller Art, bei Urlaubsanträgen oder Krankmeldungen, sind bei mittelständischen Unternehmen meist nicht so komplex, als dass sie nicht über eine kostengünstige DMS-Komponente gelöst werden könnten. Unter Umständen ist auch eine Anwendung auf Basis von Microsoft Exchange oder Lotus Notes ausreichend. Dennoch muss die Auseinandersetzung mit dem Thema Workflow Bestandteil der ersten Produktentscheidung sein, auch wenn dies fast immer ein späterer Projektschritt ist.

Anwender wollen natürlich sichergehen, dass ihr DMS den „Grundsätzen des Datenzugriffs und der Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ der Finanzbehörden entspricht. Zertifikate von Wirtschaftsprüfern über die Ordnungsgemäßheit eines DMS-Produktes nutzen dabei nichts, denn das sicherste Produkt kann unsicher betrieben werden. Vielmehr muss das Verfahren als Ganzes betrachtet werden. Hier hilft die Musterverfahrensdokumentation des DMS-Anbieters weiter: Sie erlaubt es, Dritten gegenüber den ordnungsgemäßen Betrieb leicht nachvollziehbar darzustellen.Und auch wenn viele Marketing-Aussagen der DMS-Hersteller anderes vermuten lassen: Zur Abdeckung der Anforderungen der GDPdU spielt ein DMS meist eine untergeordnete Rolle. Die führenden betriebswirtschaftlichen Anwendungen stehen hier im Mittelpunkt. Dass ein DMS tatsächlich als lieferndes System für steuerrelevante Daten (nicht Dokumente!) dient, kommt bei mittelständischen Unternehmen in der Regel nicht vor. Der Preis einer DMS-Lösung lässt sich nicht pauschal festlegen. Allerdings kann man die Kosten eines Systems mit der hier beschriebenen Grundfunktionalität (ohne Datenbanklizenzen, spezielleWorkflowmodule und Integration betriebswirtschaftlicher Standardanwendungen) grob schätzen (siehe Kostenübersicht).

Was kostet ein DMS?

Workflow-Module sind in den angegebenen Kosten nicht berücksichtigt. Je ERP-Integration muss mit 5000 bis 10 000 Euro Lizenzkosten plus fünf bis zehn Tage Dienstleistung gerechnet werden. Datenbanklizenzen sind in den Preisen nicht enthalten.

Bietet ein DMS-Anbieter eine mengenbeschränkte Version, beispielsweise nur 500 Scans pro Tag oder 100 000 archivierte Dokumente pro Jahr, kann dies für einen Mittelständler ebenfalls sehr interessant sein, da diese Grenzen meist nicht erreicht werden.

Quelle: Computerwoche

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