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Monday, 1.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Wenn man sich mit der Verwaltung der Zukunft beschäftigt, worum es ja in diesem Blog geht, gehört die Frage nach der Territorialität der Verwaltung zu einer der grundlegendsten. Denn mit dem Einsatz von IT kann Raum überbrückt werden. Zum Beispiel kann die Abgabe von Verwaltungsleistungen über Webportale erfolgen, was der üblichen Vorstellung einer entörtlichten Verwaltung entspricht.

Weitaus mehr Potenziale ergeben sich durch den Blick auf die Leistungserstellung, denn im Bereich der “Produktion“ gibt es weitaus mehr Möglichkeiten einer Entörtlichung, z.B. durch Schaffung von Shared Service Centern. Als Shared Service lassen sich Teile einer Prozesskette weitab vom Ort des Geschehens bzw. der Übergabe an den Adressaten zusammenführen. Das gilt zwar in erster Linie für Unterstützungsprozesse der Verwaltung, wie z.B. im Bereich der Finanzen, des Personals und der IT, aber auch kommunale Kernprozesse müssen nicht unangetastet bleiben. Das gilt vor allem dann, wenn sie nur deshalb durch eine Kommune ausgeführt werden, damit die Ortsnähe bei der Leistungsabgabe sichergestellt ist, wie z.B. die Kfz-Zulassung.

Das deutsche Zulassungswesen ist ein Beispiel dafür, wie Produktions- und Denkstrukturen, historisch bedingt, verörtlicht sind. Insgesamt gibt es 450 Stellen, in denen 10.000 Mitarbeiter damit beschäftigt werden, die Zulassungsprozesse auszuführen. Würde man hier klar getrennte Front- und Back-Office-Strukturen einführen, wären erhebliche Einsparungseffekte zu erzielen. Datenbanken, IT-Anwendungen, bestimmte Verwaltungsprozesse lassen sich weitab von einer Kommune effizienter ausführen, ohne dass darunter die Qualität der Verwaltungsarbeit leidet. Es geht hier nicht um eine simple Zentralisierung, sondern um eine wohl dosierte Re-konfiguration von Territorialität. Außerdem ist mit dem Vernetzungspotenzial genauso eine „Verörtlichung“ möglich, indem z.B. der Zugang zu Verwaltungsleistungen durch eine Gemeinde sichergestellt wird, die bisher im unter Umständen weit entfernten Kreissitz ausgeführt wurden.

Warum gelingt dann keine Neuordnung der Verwaltung nach den angesprochenen Gesichtspunkten? Ein Grund liegt darin, dass die örtliche Verwaltung in der gegenwärtigen Ausprägung für die Mitarbeiter, aber manchmal auch für Bürger, eine hohe Sinnstiftung und Identifikation liefert. Aus wirtschaftlichen Gründen wäre zwar eine Änderung sinnvoll und möglich, jedoch ist die Kraft von Symbolik, Macht und historisch ausgetretenen Pfaden nicht zu unterschätzen, die bei Territorialitätsfragen besonders ausgeprägt scheinen. Verwaltungshandeln und Verwaltungsreformpolitik sind stark interessen- und machtgeleitet, was insbesondere bei Veränderungen in Bezug auf Territorialität durchschlägt. Sachkriterien wie Wirtschaftlichkeit und Bürgernähe werden nur im Rahmen von Fensterreden für die Zuschauer hervorgeholt; dahinter spielt die Mikropolitik, das eigentliche Spielfeld.

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Autor(en)/Author(s): Prof. Dr. Tino Schuppan

Quelle/Source: government2020, 17.05.2010

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