Seit 2005 wurde an dem Projekt gearbeitet. Warum nach jahrelangen Planungen, Entwicklungsarbeiten und Projektrevisionen nun schließlich doch noch das Aus beschlossen wurde, fasst das Ministerium in einer Mitteilung vom Donnerstag nüchtern zusammen: "Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und Fakten wird eine Weiterführung des Projekts Insieme heute als zu risikobehaftet beurteilt, weshalb sich ein Projektabbruch aufdrängt."
Das ursprünglich im Jahr 2001 initiierte Großprojekt sorgt seit Jahren für Negativschlagzeilen. Im Januar 2012 hatte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf eine Untersuchung angeordnet, die nach Angaben des Ministeriums jahrelange Verstöße der Steuerverwaltung gegen Beschaffungsvorschriften ergeben hat. Daraufhin hatte die Ministerin im Juni einen der ranghöchsten Beamten der Bundesverwaltung, den langjährigen Chef der Steuerverwaltung Urs Ursprung, suspendiert. Auch der Entwicklungschef von Insieme musste seinen Hut nehmen.
Das Projekt war im August 2007 nach eineinhalb Jahre dauernden Vertragsverhandlungen mit dem US-Konzerns Unisys schon einmal für gescheitert erklärt worden. Die bereits erfolgte Auftragserteilung wurde zurückgezogen. Die Steuerverwaltung musste Unisys später eine Entschädigung zahlen, die Kosten für jene abgebrochene Übung beliefen sich auf 6,4 Millionen Franken (heute 5,29 Millionen Euro).
2011 kam eine parlamentarische Überprüfung zu dem Schluss, dass die Projektverantwortlichen der Steuerverwaltung über weite Strecken den Überblick verloren hatten; die Projektleitung wurde ausgewechselt. Nach massiven Kostenüberschreitungen und zeitlichen Verzögerungen wurden Ende 2011 wesentliche Teile des Projekts gestrichen. Bereits erledigte Arbeiten wurden abgeschrieben und die weitere Planung beschränkte sich nachfolgend auf die Ablösung der zwei IT-Kernsysteme.
Eigentlich sollte Insieme bis 2013 fertig werden, heißt es aus dem Finanzministerium. Immerhin sei zwar "mittlerweile das Gesamtkonzept für Insieme erstellt", doch "nur zehn Prozent der notwendigen Programmierarbeiten vollendet". Eine im Herbst 2011 neu eingesetzte Projektleitung stellte laut Ministerium fest, "dass die Bereinigung der beschaffungsrechtlichen Probleme Verzögerungen des Projektes mit sich bringen und nicht sicher gestellt werden kann, dass die gesprochenen Mittel bis Ende 2015 genügen". Wenig hilfreich dürften auch "mehrmalige Methodik- und Softwarewechsel" im Projektverlauf gewesen sein.
Insieme dürfte die Schweiz noch ein Weilchen beschäftigen. Die Sozialdemokraten (SP) fordern, schnell eine parlamentarische Untersuchungskommission zur Aufklärung des Debakels einzurichten. Ob sich dem auch die anderen Parteien anschließen, steht noch nicht fest. Der Präsident der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), Christophe Darbellay kommentiert jedoch bereits: "Eine Verschleuderung von 150 Millionen Franken ist schlicht untolerierbar.
---
Autor(en)/Author(s): (Tom Sperlich) / (vbr)
Quelle/Source: Heise online, 20.09.2012