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Friday, 5.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Interview mit E-Government-Fachmann

"Nur wenige Gemeinden haben ihre E-Government-Anstrengungen wegen www.ch.ch intensiviert", sagt Professor Kuno Schedler von der Universität St. Gallen. Der Experte für E-Government äussert sich im Gespräch kritisch über den virtuellen Behördenschalter. Das Interview führte Patrick Stadler. Die Bundeskanzlei hat heute eine Studie zum Thema E-Government veröffentlicht. Die Autoren der Studie attestieren dem virtuellen Behördenschalter www.ch.ch gute Startchancen. Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen Stand?

Der elektronische Schalter ist ohne Zweifel eine nützliche Suchhilfe im Behördendschungel. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die bisherigen Leistungen die Kosten rechtfertigen. Nur wenige Gemeinden haben ihre E-Government-Anstrengungen wegen des Projekts intensiviert. Genau dies war aber erhofft worden.

Welche Dienstleistungen können heutzutage über den virtuellen Schalter abgewickelt werden und wie sieht die künftige Entwicklung aus?

Das Informationsangebot auf den Behörden-Homepages ist bereits sehr breit. Die eigentliche Abwicklung von Verwaltungsgeschäften ist aber erst in einigen Gemeinden online möglich. Bürger von diesen Gemeinden können im Internet etwa Fahrzeugausweise beantragen oder Steuererklärungen einreichen. In Zukunft werden immer mehr Gemeinden solche Angebote ins Netz stellen. Irgendwann wird man auch über das Internet abstimmen können.

Sicherheitsbedenken verlangsamen die Entwicklung der elektronischen Verwaltung. Warum sind Wahlen per Internet heute noch nicht Realität?

Die technischen Lösungen für Online-Wahlen sind grundsätzlich vorhanden. Auf Gesetzesebene wurden die Voraussetzungen dafür aber noch nicht geschaffen. So gibt es bisher kein Gesetz für elektronische Signaturen, die Personen im Internet eindeutig identifizierbar machen. Ein entsprechendes Gesetz befindet sich in der Entstehungsphase.

In diesen Tagen sorgt einmal mehr ein Computerwurm für weltweite Aufregung. Wird die Technik jemals so sicher sein, dass Wahlen ohne Manipulationsgefahrüber's Netz durchgeführt werden können?

Ein Restrisiko wird es immer geben. Wichtig erscheint mir, dass zuerst begrenzte Versuche mit Online-Wahlen durchgeführt werden, etwa in Gemeinden. Erst wenn diese positiv verlaufen sind, sollten Eidgenössische Wahlen per Internet in Betracht gezogen werden. Man muss sich aber auch fragen, wo denn der Nutzen von Online-Wahlen liegt. Schliesslich stehen die Wahlresultate bereits heute schon nach relativ kurzer Zeit fest.

Derzeit haben erst 64 Prozent der Schweizer Bevölkerung einen Internet-Zugang. Tragen die E-Government-Anstrengungen dazu bei, die digitale Kluft zu vergrössern?

Das glaube ich nicht. Personen, die über keinen Internet-Anschluss verfügen, können weiterhin den physischen Behördenschalter aufsuchen. Problematisch wäre es hingegen, wenn Wahlen ausschliesslich über das Internet abgehalten würden.

Wo steht die Schweiz bezüglich E-Government im internationalen Vergleich?

Im letzten Drittel der Ländergruppe, wenn man den Informationsgehalt der Behörden-Homepages vergleicht. Es fehlt allerdings an weiteren zuverlässigen Vergleichsstudien.

Der elektronische Schalter soll nach dem Willen des Bundes die Verwaltung effizienter - sprich kostengünstiger - machen. Ist dieser Effekt bereits zum jetzigen Zeitpunkt feststellbar?

Nein, momentan überwiegen noch die Informatikkosten. Wir befinden uns noch in der Lernphase. Ich glaube aber stark an das wirtschaftliche Potenzial von E-Government.

Quelle: Neue Zürcher Zeitung

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