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Monday, 8.07.2024
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Häufigere Beratung über Telemedizin

Die medizinische Beratung am Telefon wird immer wichtiger. Wie auch das Management von chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck oder die eHealth-Strategie des Bundes.

Der Husten will einfach nicht besser werden. Zum Arzt? Oder noch ein paar Tage warten? Womöglich ist es ja etwas Schlimmes, Asthma oder Tuberkulose. Also gleich ins Spital?

Etwa 70 Prozent der Leute warten bei gesundheitlichen Problemen zu lange ab, bevor sie einen Arzt aufsuchen, oder sie wenden sich an den falschen Ort, zum Beispiel direkt an den Spezialisten oder an die Notaufnahme. Eine Alternative dazu sind telemedizinische Anbieter wie Medgate oder Medi24, deren Dienste auch von verschiedenen Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Allein bei Medgate lassen sich jeden Tag bis zu 600 Personen beraten. Dieses Demand Management (siehe unten) ist denn auch der wichtigste Geschäftsbereich des Basler Unternehmens.

Als Medgate 1999 seinen Betrieb aufnahm, beschränkte man sich auf gesundheitliche Beratung und Triage, also die Zuteilung der Anrufenden an die verschiedenen medizinischen Leistungserbringer. «Heute entwickelt sich die Telemedizin immer weiter in Richtung Diagnose», erklärt Oberarzt Sascha Burri.

Rückruf vom Arzt

Wer bei Medgate anruft, wird zuerst mit einer medizinischen Fachperson verbunden, der das Anliegen geschildert wird. Ausser in Notfällen wird man zu einem vereinbarten Zeitpunkt von einer Ärztin oder einem Arzt für die Beratung zurückgerufen. Bei gewissen Krankheiten oder Beschwerden, wie etwa Fieber bei Kindern, ist es möglich, die Eltern per Telefon bei der Pflege zu beraten. Es gibt aber auch Fälle, wo eine eigentliche Therapie angeordnet werden kann.

«Ein gutes Beispiel dafür sind Harnweginfektionen bei Frauen», erklärt Burri. «Hier ist möglich, mit gezielten Fragen eine Arbeitshypothese zu erstellen und auszuschliessen, dass es sich um etwas Ernsthaftes handelt.» Über eine Versandapotheke kann ein Antibiotikum direkt an die Patientin geschickt werden. 48 Stunden später überprüft der Arzt von Medgate den Erfolg der Therapie. In einem solchen Fall gehe man nicht anders vor als ein Hausarzt, betont Burri. Auch in der Arztpraxis könne ein unkomplizierter Harnweginfekt ohne körperliche Untersuchung oder Laboruntersuchung diagnostiziert werden.

Mehr Frauen als Männer

Von den Anrufenden kann über die Hälfte bei Medgate abschliessend telefonisch beraten oder betreut werden, wie Burri erklärt. Bei 45 Prozent der Anrufenden kommen die Medgate-Ärzte zum Schluss, dass eine körperliche Untersuchung nötig ist. Diese Personen werden an ihren Hausarzt oder an ein Spital überwiesen. Rund 10 Prozent davon sind dringende Fälle. Ein Grossteil der Anrufe stammt aus Familien, Frauen sind dabei stärker vertreten als Männer. Wer einer Krankenkasse angehört, die mit Medgate zusammenarbeitet, kann den Dienst kostenlos in Anspruch nehmen.

Sascha Burri arbeitet je zur Hälfte bei Medgate und in einer Hausarztpraxis. «Bei einer telefonischen Konsultation kommt man sich schneller näher als bei einem Erstkontakt in der Praxis», meint er zu den Vorteilen der telemedizinischen Beratung, «die Leute erzählen mehr von sich.» Das habe damit zu tun, dass sich die Patienten in der Praxis dem Arzt eher ausgeliefert vorkämen. «Am Telefon dagegen fühlen sie sich als Partner und können stärker in die Behandlung eingebunden werden.»

Roland Keller, Hausarzt und ärztlicher Leiter der Medizinischen Notrufzentrale (MNZ) in Basel, weist dagegen auf die Wichtigkeit der persönlichen Beziehung zwischen Arzt und Patient hin: «Als Hausarzt orientiere ich mich vor allem an der langfristigen Beziehung zum Patienten. Ich kenne ihn im besten Fall seit Jahren und kann neue gesundheitliche Ereignisse entsprechend einordnen.» Die Vorteile von Anbietern wie Medgate oder Medi24 sieht Keller eher bei der generellen Beratung in Gesundheitsfragen.

E-Krankengeschichte

Für Medgate-Geschäftsführer Andy Fischer liegt die Zukunft der Telemedizin unter anderem im Bereich des Managements von chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck oder Asthma. Mit Interesse verfolgt er auch die Bestrebungen des Bundes zu einer nationalen eHealth-Strategie, die unter anderem die schrittweise Einführung von individuellen elektronischen Patientendossiers bis 2015 vorsieht. Alle Leistungserbringer – Hausarzt, Spezialärztin, Spital oder telemedizinischer Anbieter – werden damit Zugriff auf die individuelle Krankengeschichten eines Patienten haben und auf elektronischem Weg zusammenarbeiten können.

In diesem Zusammenhang wird der Telemedizin ein grosses Sparpotenzial prognostiziert. Fischer beobachtet diese Diskussion mit einer gewissen Zurückhaltung: «Telemedizin ist nicht einfach ein Mittel zur Kostensenkung», betont er, «sondern primär ein Instrument zur Qualitätsverbesserung der medizinischen Betreuung. Ein notwendiger Arztbesuch wird auch in Zukunft nicht durch Telemedizin ersetzt werden.» Geringere Kosten seien eine Folge der Telemedizin und nicht deren Ausgangspunkt.

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Stichwort: Telemedizin

Von Telemedizin wird gesprochen, wenn Arzt und Patient bei der Beratung, Diagnose oder Behandlung räumlich getrennt sind. Möglich ist dies via Telefon, Internet oder Videokonferenz.

Unter Demand Management versteht man die Organisation der Patientennachfrage: Kann das Gesundheitsproblem telemedizinisch gelöst werden oder braucht es eine reale Konsultation?

Als Telebiomonitoring oder Disease Management wird die Überwachung und Betreuung chronischer Krankheiten wie Bluthochdruck oder Asthma mittels Telekommunikation bezeichnet. Der Patient nimmt Messungen vor, die Daten werden automatisch via Bluetooth-fähiges Handy zum Computer des Arztes übermittelt. Verschlechterungen können damit sofort erkannt werden.

Autor(en)/Author(s): Andreas Merz

Quelle/Source: St. Galler Tagblatt, 19.04.2007

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