Today 221

Yesterday 662

All 39463129

Wednesday, 3.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
"Weltmeister im Verfassen von Masterplänen, Expertisen und Studien" - Zentrale Koordinierungsstelle bisher an "vielen alten Herren gescheitert" - IKT-Kompetenzzentrum wird im Bundeskanzleramt angesiedelt

Die IT- und Telekomunternehmen sind auf die Politik nicht sonderlich gut zu sprechen. Nach den vollmundigen Aussagen und Bekenntnissen zur "Zukunftsbranche" in den vergangenen Jahren wird die Umsetzung der bisherigen Versprechen nun vehement eingefordert. Vertreter verschiedener Parteien geben sich zum Teil selbstkritisch, machen andererseits aber wenig Hoffnung auf ein rasches Eingehen auf die Forderungen des IKT-Sektors - so das Ergebnis einer Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community gestern, Donnerstagabend, in Wien.

"Wir sind Weltmeister im Verfassen von Masterplänen, Expertisen und Studien. Wirtschaftspolitische Taten folgen diesen Ankündigungen leider bisher viel zu selten", erklärte René Tritscher, Geschäftsführer der Fachverbände Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen sowie Unternehmensberatung und Informationstechnologie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Nun gelte es, vom Analyse- zum Umsetzungs-Weltmeister zu werden. Allerdings fehlten dafür die notwendigen Strukturen.

"Dramatik der Situation" vielen nicht bewusst

"Die Umsetzung vieler Forderungen der IT- und Telekombranche kostet keinen Cent, trotzdem wird sie seit Jahren auf die lange Bank geschoben", so Tritscher. Beispielsweise könnte an den regulatorischen Rahmenbedingungen geschraubt oder der Infrastrukturausbau, bei dem sehr oft mit Einsprüchen zu kämpfen sei, erleichtert werden. Die Politik habe nach der Liberalisierung schleichend das Heft aus der Hand gegeben und die Kompetenzen in die Regulierungsbehörde ausgelagert. Jetzt müssten grundsatzpolitische Entscheidungen aber wieder in die Politik zurückgeholt werden.

Vielen sei die Dramatik der Situation in der Branche nicht bewusst, etwa der EU-Kommission, die immer neue Regulierungsauflagen und staatliche Preisvorgaben statt Fördermaßnahmen setze, oder der Gewerkschaft beim Thema IT-Kollektivvertrag. Außerdem forderte der Branchenvertreter die Bündelung der IKT-Kompetenzen "auf höchster Ebene". Die Umsetzung der Maßnahmen der Branchen-Initiative "Internet Offensive" sei "die letzte Chance" für das Thema IKT in Österreich.

IKT-Kompetenzzentrum in Umsetzung

Derzeit gebe es intensive Bemühungen um ein IKT-Kompetenzzentrum im Bundeskanzleramt, das Regierungsbeschlüsse vorbereiten soll, sagte Kurt Gartlehner, Sprecher des SPÖ-Klubs für Industrie und Technologie. Das Kompetenzzentrum befinde sich in einer konkreten Umsetzungsphase. "Ich erwarte mir sehr viel davon", so Gartlehner.

Beim Breitbandausbau erinnerte er daran, dass "die Infrastruktur nicht mehr dem Staat gehört, sondern der Börse". Außerdem seien die Unternehmen mit der Situation in den vergangenen Jahren - die Telekom Austria als Platzhirsch am Land, UPC in der Stadt - nicht wirklich unzufrieden gewesen. Durch den Kauf des Infrastrukturunternehmens CableRunner durch die Telekom habe nach einem Stillstand bei den Investitionen wieder eine "Belebung auf sicheren Märkten" stattgefunden. Allerdings wäre ihm lieber gewesen, wenn Tele2 das Unternehmen übernommen hätte, erklärte Gartlehner.

Chancen würde auch eine Kooperation mit den Energieversorgungsunternehmen bieten: "Die haben Tausende Kilometer Glasfaser, auch hinter den Bergen, bei den sieben Zwergen. Da sollte zusammengearbeitet und ein Breitband-Masterplan entwickelt werden", regte er PPP-Modelle (Public Private Partnerships) für den Netzwerkausbau an. Dann könnte auch die Politik entsprechende Maßnahmen setzen. "Wir sind gerne bereit, Gesetze zu ändern, um sie an neue Entwicklungen anzupassen."

De facto "zwei Jahre Stillstand"

"Es gibt extrem viel zu tun. De facto hat es jetzt zwei Jahre Stillstand gegeben", bekräftigte auch Karin Hakl, Sprecherin des ÖVP-Klubs für Innovation und Telekommunikation. Nun müsse der Themenbereich besser kommuniziert werden, um mehr Druck auszuüben und breite gesellschaftliche Debatten auszulösen. "Ich glaube nicht, dass wir die 150. renovierte Bahnunterführung dringender brauchen als IKT-Infrastruktur. Da sind sicher Umschichtungen notwendig", so Hakl. Außerdem müssten frei gewordene Funkfrequenzen - die sogenannte digitale Dividende - rasch dem Markt zur Verfügung gestellt werden. So könnte man auch das Angebot im ländlichen Raum verbessern.

Forderungen nach einem IKT-Ministerium wies Hakl zurück: "Das wird immer eine Querschnittsmaterie bleiben. Eine zentrale Koordinierungsstelle ist aber notwendig." Bisher sei dies an "ganz, ganz vielen alten Herren gescheitert". Viele Projekte befänden sich aber bereits in Umsetzung: "Bei E-Health arbeiten alle zusammen. Die elektronische Gesundheitsakte ist so weit gediehen und ausfinanziert, dass wir bis Ende 2010 oder Mitte 2011 starten können."

Koordinierte Strategie notwendig

"Es gibt noch viele Punkte, wo wir nicht Europameister sind", ergänzte Ruperta Lichtenecker, Wirtschafts- und Forschungssprecherin des Grünen Parlamentsklubs sowie Vorsitzende des Forschungs-, Innovations- und Technologieausschusses im Parlament in Anspielung auf den Bereich E-Government. Nun sei eine koordinierte Strategie notwendig, die Bundesländer müssten mit an Bord geholt werden und man dürfe "nicht einfach das nächste Papier produzieren".

Die "beachtliche volkswirtschaftliche Leistung" des IKT-Sektors, der rund ein Viertel zum BIP-Wachstum beitrage, müsse auch in Zeiten wie diesen hoch honoriert werden. Die Branche leiste einen wichtigen Beitrag für die wissensbasierte Gesellschaft, etwa im Bildungsbereich. Aber auch das Marktpotenzial für "grüne IKT" biete enorme Chancen. Nicht vergessen werden dürfe auf den flächendeckenden Ausbau der Infrastruktur im ländlichen Raum.

"Müssen die Politik in die Pflicht nehmen"

"Die Politik muss zu dem stehen, was sie ankündigt", kritisierte Hartmut Gailer, Geschäftsführer des Systemhauses SER Solutions Österreich, die nicht stattgefundene Umsetzung der Forderungen der Branche: "Wenn das Thema so wichtig ist: Warum tut man dann nicht mehr dafür?" Es sei hoch an der Zeit, konkrete Ziele zu definieren und dann nicht mehr davon abzuweichen. Für wichtige Parameter hält er Nachhaltigkeit und Konstanz. "Sozialpartner und Interessensvertretungen müssen die Politik hier in die Pflicht nehmen, da Politik zum ‘Zeitmaß‘ Legislaturperiode neigt, und die werden immer kürzer."

Die "Pflichtübung" Infrastruktur - Kabel, Bandbreite, Abdeckung - sei gut auf den Weg gebracht worden, jetzt gehe es um die "Mühen der Hochebene", bei der die Nutzung, also Services, Anwendungen und Inhalte, forciert werden müssten. Die öffentliche Hand sei außerdem ein großer Auftraggeber, der die IKT-Branche durch Pilotprojekte stimulieren könnte. Durch den Einsatz von modernen Technologien sei in der Verwaltung viel Geld einzusparen, das dann zur Ankurbelung der Branche teilweise wieder in IKT investiert werden sollte.

---

Autor(en)/Author(s): Judith Stöckl

Quelle/Source: APA-OTS, 27.03.2009

Bitte besuchen Sie/Please visit:

Go to top