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Wednesday, 3.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Das eintägige IT-Forum der nordrhein-westfälischen Justizbehörden beschäftigte sich unter dem Motto "E-Justice – im Dienst der Gesellschaft" mit zahlreichen neuen Möglichkeiten, über elektronische Dienste die Justizarbeit zu vereinfachen. In der Eingangshalle des Oberlandesgerichts Köln präsentierten sich gestern Projekte wie das Auktionshaus der Justiz und der Knastladen. Auf der Plattform können von Gefangenen hergestellte Produkte gekauft werden. Höhepunkt des Forums war die erste Demonstration der "elektronischen Kostenmarke". Bei dem Internet-Projekt sind die NRW-Behörden bundesweiter Vorreiter. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter bezeichnete die eMarke in ihrer Eröffungsrede als "Teil einer wahrgewordenen Utopie".

Auf großes Interesse unter den Besuchern stieß die elektronische Meldeauskunft eMAB, mit der 270 Behörden von Justiz und Polizei in Nordrhein-Westfalen die Anschriftsdaten von 8,5 Millionen Einwohnern in 127 von 396 NRW-Kommunen auf Mausklick anfordern können. Mit 540.000 Transaktionen im Jahr 2008 wurden gegenüber dem langsamen Papierweg 1,8 Millionen Euro eingespart, die an die Kommunen weiter gegeben wurden. Wesentlich mehr verdienen die Kommunen im Geschäft mit privaten Großkunden bei der umstrittenen einfachen Melderegisterauskunft (EMA).

Noch Zukunftsmusik sind Projekte im Grundbuch-Bereich wie die elektronische Grundschuld-Auskunft und die XML-basierte Auskunft in Grundbuchsachen. Das im Rahmen der Initiative Finanzstandort Deutschland von der Bundesnotarkammer aufgesetzte System der Grundschuldabfrage wartet noch auf das OK von Kreditwirtschaft und Datenschutz, um 2010 in den Pilotbetrieb gehen zu können. Der Datenschutz ist gefragt, weil über Grundschuldeintragungen Vermögensabschätzungen möglich sind.

Zum 1. Juni 2009 soll indes eine Neuerung an zwei Gerichten in den Pilotbetrieb gehen, mit denen NRW auf großes bundesweites Interesse gestoßen ist, wie Manfred Stapelmann vom OLG Hamm berichtete. Die elektronische Kostenmarke soll bis zum Jahresende die herkömmliche, von der Bundesdruckerei hergestellte Gerichtskostenmarke ablösen. Diese Wertzeichen zum Kleben auf Kostenbescheide und Anträge wurde 1949 eingeführt, mit ihnen wurde allein in NRW noch 2008 ein Betrag im zweistelligen Millionenbereich umgestzt.

Die elektronische Kostenmarke beruht auf einem in NRW entwickelten Kostenmarken-Management-System (KMS) und dem von Sachsen, Brandenburg und NRW entwickelten und auf der CeBIT 2009 vorgestellen Bezahlverfahren ePayBL (electronic Payment Bund-Länder). Dabei wird vom KMS eine 12-stellige "nicht erratbare" Zeichenfolge (etwa G86T24D77F84) generiert, der ein bestimmter Betrag zugeordnet wurde (etwa 17,50 Euro). Genau dieser Betrag muss nun per Online-Banking via ePayBL bezahlt werden, wobei neben dem Betrag nur die Zeichenfolge eingeben werden darf.

Ist die Zahlung registriert, ist die Marke zwei Monate lang "gültig" und kann etwa als E-Mail zur Gerichtskasse geschickt oder auf ein Formular in einem Browserfenster kopiert werden. In der Behörde kann ein Sachbearbeiter die Zeichenfolge im KMS nachschlagen, einem Vorgang zuordnen und als "entwertet" markieren. Wer keinen Computer hat oder die Barzahlung vorzieht, muss zur lokalen Gerichtskasse, die indes auch virtualisiert wird: Landesweit, später gar bundesweit, sollen dort Bezahlterminals installiert werden, die Scheine wie Münzen akzeptieren.

Derzeit arbeitet das browserbasierte Kostenmarken-System noch ohne SSL-Verschlüsselung, die bis zum Start des Pilotprojekts eingebaut werden soll. Neben der Justiz sind auch andere Behörden an einem einfachen Zahlungssystem bei der Bestellung von Behördenleistungen interessiert. Problematisch ist allerdings, dass in Eilfällen, wie sie die Justiz bei Einsprüchen kennt, nur die Zahlung per Kreditkarte vorgesehen ist. In diesem Fall wird auf die eigentliche Kostenmarke ein Zuschlag von 3 Prozent fällig, den die Justiz direkt an das Kreditkarten-Unternehmen weiterleitet.

Sollte sich das Verfahren mit dem Entwerten von Zeichenfolgen bewähren, so soll das etwas schnellere Giropay-Verfahren integriert werden. Bis die elektronische Kostenmarke allgemein verfügbar ist, werden die herkömmlichen Kostenmarken aufgebraucht. Echte Papierfans dürfen sich noch länger an ihren Gerichtskostenfreistempler klammern.

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Autor(en)/Author(s): (Detlef Borchers) / (anw/c't)

Quelle/Source: Heise online, 24.04.2009

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