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Friday, 5.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Behörden sparen Papier, Bürger Zeit - und Verdi schimpft trotzdem.

Surfen statt Schlange stehen! Die Daten sollen laufen, nicht der Bürger! Wohlfeile Werbesprüche wie diese aus der noch weithin unbekannten "E-Government"-Branche (elektronische Verwaltung) blieben gestern Abend auf der Essener Zeche Zollverein wohltuend Mangelware. Zu gut wissen selbst die glühendsten Befürworter virtueller Rathäuser, wie zäh sich seit Jahren das Bemühen gestaltet, eine im Grunde plausibel wirkende Erkenntnis mit Leben zu füllen: Wo Staat, Wirtschaft und Gesellschaft einen Gutteil ihrer Kontakte via Internet abwickeln können, ist vieles zu beschleunigen. Und jede Menge Geld zu sparen. Im mit rund 5,4 Millionen Einwohnern größten Ballungsraum Europas glaubt man nun dem vielleicht modernsten Medikament gegen die bürokratische Fettleibigkeit einen entscheidenden Schritt näher gekommen zu sein. Das "Digitale Ruhrgebiet" (Kürzel: d-NRW) ging gestern im Beisein von Innenminister Fritz Behrens (SPD) offiziell an den Start.

Kennzeichen per Mausclick

Dahinter verbirgt sich ein von den Städten und der Wirtschaft gemeinsam aufzubauendes Internet-Portal, von dem Bürger wie Unternehmen gleichsam profitieren sollen; in aufeinander aufbauenden Schritten. Das Aufgebot für die Hochzeit per E-Mail ordern, die Geburtsurkunde des Sohnemanns zuhause ausdrucken, den neuen Wagen per Mauseclick anmelden; für Otto Normalbürger mit Heim-Computer sollen sich manche Behördengänge in Zukunft erledigt haben; und das revierweit. Firmen, etwa Architekturbüros, ziehen ihren Nutzen aus der Veranstaltung, indem sie Baugenehmigungen künftig am Computer erledigen.

Gamal Moukabary, zuständiger Fachmann bei der landeseigenen Projekt Ruhr GmbH, beziffert die Sparpotenziale in einigen Jahren auf einen "höheren dreistelligen Millionenbetrag". Etwa dadurch, dass in Kommunen der Kostenberg für Papier und Porto nach und nach abgetragen werden könne.

Neben offiziellen Rechtsakten soll das "Digitale Ruhrgebiet" auf Sicht aber weit mehr können: virtuelle Marktplätze, Bildungsangebote, Tourismus-Börsen, Kassen- und Archivierungssysteme. Im Endstadium, so Projekt Ruhr GmbH, könnten Universitäten, Vereine, Kultureinrichtungen und Konzerne mitmachen - auf dass auch im Internet von einer "europäischen Schlüsselregion" gesprochen werden könne. . .

Partner im Boot mit den Städten sind die Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young und die sich auf spezielle Informationstechnologie-Dienste verstehende cosinex GmbH. Sie beziffern die Höhe der Investitionen in den nächsten fünf Jahren auf 35 Millionen Euro.

Vorbehalte gegen das Gelingen des ehrgeizigen Projekts gibt es auch. So wenden Kritiker gerne ein, dass die Sache nicht funktionieren könne, solange die so genannte "elektronische Signatur", eine digitale Unterschrift, gespeichert auf einer Chipkarte, bei den meisten Bürgern ein Ladenhüter sei. Erwiderung des Deutschen Städtetages: 80 Prozent der 3500 denkbaren Verwaltungsvorgänge könnten längst ohne besagte Signatur erfolgen.

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist der angekündigte Sprung in eine bessere Verwaltungswelt, der letztlich eine groß angelegte " Entrümpelungsaktion behördlicher Keller" bedingt, nicht unproblematisch. Wenn erst die Formulare nur so durchs Web flitzen, von A wie Angelschein bis Z wie Zulassungsstelle, geht in "manchen Amtsstuben die Arbeit aus", sagt ein Verdi-Funktionär. Und fügt hinzu: "NRW ist nicht Estland - und wird es auch nicht." Hintergrund: Der bald europäische Baltenstaat rühmt sich der global ersten "papierlosen Regierung" und gilt als Weltmacht in Sachen E-Government.

Quelle: NRZ

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