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Wednesday, 3.07.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
In einem Affenzahn rasen die Papierstapel mit den Beihilfeanträgen durch den Scanner. Er „fotografiert“ die maschinell und handschriftlich geschriebenen Formulare, und Sekunden später erscheinen sie in digitalisierter Form auf dem Bildschirm. Jetzt können die Anträge geprüft und der Zuschuss zu den Gesundheitskosten der Landesbediensteten errechnet werden.

Das ist im wesentlichen die Aufgabe, die derzeit 72, ab Mitte nächsten Jahres 85 Mitarbeiter der neuen Beihilfestelle in der ehemaligen Likörfabrik Aha in Hünfeld leisten. Ihr Chef ist Dezernatsleiter Gerhard Schneider. Zurzeit werden täglich rund 1000 Anträge in Hünfeld bearbeitet, später sollen es mehr als 2000 sein. Gestern wurde das „Dezernat Beihilfen/Hünfeld“, das zum Regierungspräsidium Kassel gehört, eingeweiht.

„Die so genannte Beihilfe ist ein neuer Baustein in der eGovernment-Strategie“, sagte Innenminister Volker Bouffier (CDU) gestern. Hessen sei das erste Bundesland, das ein solches Verfahren entwickelt und eingeführt habe. „Registraturdienste und Papierlagerräume sind entbehrlich geworden“, sagte Bouffier. Der Computer beschleunige die Bearbeitung der Anträge und mache sie transparenter. „Anfragen von Beihilfeberechtigten können ohne Zeitverzögerung von jedem Arbeitsplatz aus beantwortet werden.“ Das Beihilfedezernat bringt laut Bouffier 60 neue Arbeitsplätze nach Hünfeld.

Der Minister erklärte, früher habe es in Hessen 80 Behörden gegeben, die sich mit Beihilfeanträgen beschäftigt hätten. 1999 seien es noch sechs gewesen und nun zwei, eine in Hünfeld und eine in Kassel. Die Beihilfe betreue in Hessen 160 000 Anspruchsberechtigte. Davon seien 30 000 Ruheständler, die mehr Kosten verursachten als die aktiven Bediensteten, sagte Bouffier. Er betonte, es sei „einmalig in Deutschland“, was die hessische Beihilfe genehmige. Dazu zählten Wahlleistungen, bestimmten Heilmethoden oder Arzneien, für die es woanders keinen Zuschuss gebe. Dies bedeute Mehrausgaben jährlich von 34 bis 35 Millionen Euro, die Bouffier allerdings als ein „Gegenäquivalent“ für die längere Arbeitszeit versteht. Er erklärte jedoch auch, dass er nicht wisse, „ob ich diese Leistungen auf Dauer erhalten kann“. Denn die Ausgaben stiegen auch hier „explosionsartig“. Bouffier formulierte den Anspruch, dass die Behörde „rasch, qualifiziert und richtig“ entscheiden wolle.

Für Hünfelds Bürgermeister Dr. Eberhard Fennel war der Tag ein Grund zum Feiern. „Auf das Ziel, die Zentrale Beihilfebearbeitung für Hessen in unserer Stadt zu bekommen, habe ich mehr als 15 Jahre gewartet.“ Mehr als 80 moderne und zukunftsorientierte Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst seien in der Zeit des Personalabbaus etwas Besonderes. „Letztlich entscheidend“ sei der JVA-Vertrag gewesen. Mit der Beihilfestelle löse das Land eine seiner Zusagen ein. „Das Land zeigt Vertragstreue“, sagte Fennel wörtlich. Er lobte auch die private Investorengruppe „Aha Büro + Wohnen GmbH“, die sich – ohne auf die Renditemaximierung zu schielen – engagiert hätten. „Ohne sie hätte diese ehemalige Likörfabrik nicht gerettet werden können“. Einer der Investoren, Robert Schmitt, sprach von einem „herrlichen Bau“, in den die Beihilfestelle eingezogen sei. Insgesamt wurden bei Aha 3,85 Millionen Euro investiert. 500 000 Euro kamen aus Mitteln der Städtebauförderung. Die Beihilfestelle belegt 1250 Quadratmeter. Das Steuerberatungs- und Wirtschaftsbüro des Mitgesellschafters Wendelin Priller knapp 250 Quadratmeter. Außerdem gibt es noch zwei Neubauwohnungen mit je 60 Quadratmeter und die bereits im August eröffnete Aha-Gastronomie.

Architekt Karl Möller erklärte, er habe ein Spannungsfeld angestrebt, in dem sich Alt und Neu gegenüber stehen.

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Beihilfe:

Die Beihilfe für Beamte und zum Teil auch für Angestellte des Landes ist vergleichbar mit dem Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung in der Privatwirtschaft. Für Landesbeamte übernimmt der Dienstherr über die Beihilfe bis zu 70 Prozent der Krankheitskosten. Den Rest müssen sie durch eine private Kranken- und Pflegepflichtversicherung abdecken. Die Beihilfestelle Hünfeld ist für Bedienstete oder Versorgungsempfänger der Justizverwaltung oder Bedienstete der hessischen Universitäten zuständig.

Autor: Alexander Gies

Quelle: Fuldaer Zeitung, 03.12.2005

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