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Friday, 5.07.2024
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Eine bürgerfreundliche Verwaltung ist erklärtes Ziel in Stahnsdorf – eine 2,9 bei der Wohlfühl-Umfrage für die Rathausriege ist Indiz für Besserung, aber nicht zufriedenstellend „Ihr Antrag auf Pflasterung des Gehweges vor Ihrem Grundstück wird genehmigt. Laut Baugesetzgebung haben Sie sich an folgende Standards zu halten …“ Das biedere Beamtendeutsch, das auch in Stahnsdorfer Amtsstuben noch reichlich gepflegt wird, klingt nicht gerade freundlich. Auch Bürgermeister Gerhard Enser kann sich Antwortschreiben, die sein Haus verlassen, in einem anderen Tenor vorstellen. Der Brief könnte auch mit einer freundlichen Anerkennung der Eigeninitiative statt dröger Paragrafenreiterei beginnen: „Wir freuen uns, dass Sie sich an der Pflege des Ortsbildes beteiligen wollen,“ könnte am Anfang des Schreibens stehen. Allein am Ton lässt sich mitunter erkennen, wie gut in der Annastraße der Service für den Bürger funktioniert.

Beim Eintritt ins Dienstleistungszeitalter, in dem der Kunde König ist, befindet sich die Stahnsdorfer Gemeindeverwaltung auf der Aufholjagd. Als im Sommer 2000 zur Bürgermeisterwahl gerufen wurde, wünschten sich viele Stahnsdorfer einen kräftig durchs Rathaus wehenden Wind und eine reinigende Auskehr. Mit Bürgermeister, Kämmerer und neuer Hauptamtsleiterin hat sich nicht nur die Führungsriege personell verändert. Wenn sich heute bei der PNN-Aktion „Wohlfühlen in Stahnsdorf“ ein Notenwert von 2,90 für das Kriterium „Gemeindeverwaltung als Dienstleister“ ergibt, ist das ein Indiz, dass sich einiges getan hat hinter der Eingangstür des Gemeindezentrums.

Es war ausdrücklicher Wunsch von Bürgermeister Gerhard Enser, das Verwaltungs-Kriterium in die Befragung aufzunehmen, „um Bilanz zu ziehen“. Zufrieden gibt sich der Verwaltungschef mit der Note nicht: Auf dem Weg zu einer sich als Dienstleister verstehenden Amtsriege „sind wir nicht kurz vor dem Ziel, sondern mittendrin.“ Der Dialog zwischen Stahnsdorfern und ihrer Verwaltung ist intensiver geworden: Neben Veröffentlichungen und Bekanntmachungen, die zum normalen Service gehören, gab es in der Vergangenheit einige thematische Einwohnerversammlungen. Die Zusammenarbeit zwischen Gemeindeparlament und Ämtern hat an Qualität gewonnen, die Vor- und Nachbereitung sowie Durchführung parlamentarischer Sitzungen ist mit früheren Zeiten nicht zu vergleichen. Gleichwohl: Das Verlangen nach noch mehr Transparenz, mehr Information und mehr Gehör für Bürgernöte ist nicht verstummt, im Gegenteil – während der Wohlfühlaktion wird es immer wieder artikuliert.

Es gibt Bereiche, in denen die Gemeindeverwalter durchgreifen müssen, so dass es der Stahnsdorfer zu spüren bekommt. Steuern, Bußgeld und Beiträge kassieren, Anliegerpflichten durchsetzen, den ruhenden Verkehr regeln gehören zum täglichen Verwaltungsgeschäft, bei dem die Behörde weniger als Dienstleister, sondern als Fordernde empfunden wird. Dabei entstehen Reibungsflächen, an denen sich eine Verwaltung als durchsetzungsstark aber freundlich bestimmt zu beweisen hat. „In vielen Fällen ist es ein positiver Dialog“, meint Enser. Kontaktstellen, an denen die Stahnsdorfer Service erwarten, sind das Einwohnermelde,- das Schul,- Bau- und das Standesamt. Vor allem das Bauressort gilt als empfindliche Stelle, an der so manch rauhe Begegnung die Königsstellung des Kunden fraglich erscheinen lässt. Dabei sind die Entscheidungsbefugnisse des Amtes, die sich unmittelbar auf Anliegen der Bürger auswirken, gar nicht so groß. Bei Bauanträgen erteilt die Behörde lediglich das gemeindliche Einverständnis, ansonsten reicht sie die Bearbeitung weiter an die zuständige Bauaufsicht des Landkreises.

Neben dem „positiven Dialog“ gibt es auch ein „gebündeltes Maß an Schreiben“, in denen sich Einwohner beschweren und aus denen Mitarbeiter des Gemeindeamtes nicht als Partner hervorgehen, räumt Enser selbstkritisch ein. Die Folge sind konkrete Einzelgespräche mit den Mitarbeitern, Belehrungen bis hin zu disziplinarischen Maßnahmen. „Das findet auf allen Ebenen statt“, betont der Bürgermeister. Beim Bemühen, seine Verwaltung zum Dienstleister zu reformieren, vor die der Bürger nicht als Bittsteller tritt, stoße er bei Mitarbeitern durchaus auf „veraltete Verhaltensmuster“, die das Unterfangen zu einem zähen Prozess machen, gibt Enser zu. Für SPD-Fraktionschef Manfred Kokel ist ein solches Eingeständnis wichtig, um Vertrauen in die Verwaltung zu stärken: „Der Bürgermeister sollte in der Öffentlichkeit selbstkritischer mit der Dienstleistungsfähigkeit seiner Verwaltung umgehen.“

Wertet man die Anzahl der vergebenen Noten von 1 bis 3 der gestern zu Ende gegangenen Umfrage als Indiz für das Vertrauen in die Verwaltung, sind 75 Prozent der Stahnsdorfer im Reinen mit der Rathausmannschaft. Aber: 62 „Fünfen“ und „Sechsen“ verdeutlichen enorme Unzufriedenheit, was einen weiterhin gegebenen Handlungsbedarf belegt. Ein Bürgerbüro, wie es Enser schon nach seinem Amtsantritt ankündigte und das zentraler Anlaufpunkt für alle Anliegen sein soll, ist noch immer Zukunftsmusik.

Sehr intensiv hingegen beteiligt sich das Stahnsdorfer Amt an der e-Government-Initiative des Landes Brandenburg, an deren Ende mit moderner Computertechnik ausgerüstete Rathäuser für besseren Bürgerservice sorgen sollen.

Als die gte Brandschutz AG vor wenigen Wochen ihre neue Produktionsstätte im Stahnsdorfer Gewerbegebiet bezog, dankte die Unternehmensspitze Bürgermeister Enser für dessen Hilfe. „Investoren zu betreuen ist Chefsache“, sagt dieser. „Betriebe, die sich unwohl fühlen, schaden jedem Standortmarketing.“ Und weil das mit einer Gemeindeverwaltung unzufriedene Einwohner gleichfalls tun, ist eine Note von 2,9 kein Ruhepolster.

Autor: Peter Könnicke

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 08.05.2003

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