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Friday, 5.07.2024
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Die Kosten, die durch Gesetze entstehen, wurden jetzt erstmals gemessen

Wer in Brandenburg Milch trinkt, muss sich eigentlich keine Sorgen machen. Die Güteprüfungen für Milch und Milcherzeugnisse sind Spitzenreiter auf der Skala der gesetzlichen Normen. 29 750 Probeabgaben zur Bestimmung der Milchgüte fallen jährlich an.

Die Menge der märkischen Milchproben ist vermutlich noch nie statistisch erfasst worden. Die niederländische Beratungsfirma EIM - spezialisiert auf die Wechselwirkungen von Politik, Verwaltung und Wirtschaft - hat jetzt acht Wochen lang 1327 brandenburgische Gesetze und Verordnungen untersucht und war auch auf die Milchproben gestoßen. Auftraggeber der Studie waren der Landtags-Sonderausschuss für Bürokratieabbau und die Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam. Untersucht werden sollte, wie teuer Gesetze und Verordnungen sowohl für die Unternehmen als auch die öffentliche Verwaltung sind.

Mit Hilfe des so genannten Quick-Scan-Verfahrens (siehe Kasten) wurden 148 Gesetze und Verordnungen herausgefiltert, bei denen 316 Arten von Informationspflichten vorgegeben sind. Diese teils stark kostenintensiven Pflichten reichen von der Genehmigung und Bekanntmachung über oft mehrfach abverlangte Statistiken und Berichterstattungen bis hin zu wiederkehrenden Prüfungen und Inspektionen. Nach der der MAZ vorliegenden EIM-Studie müssen Unternehmen und öffentliche Stellen in Brandenburg jährlich rund 7,9 Millionen Euro aufwenden, um diese bürokratischen Vorgaben zu erfüllen. Dazu kommen noch einmal Gutachterkosten von etwa 5,1 Millionen Euro.

Hätte man die üppig mit Vorgaben ausgestattete Landesbauordnung und das märkische Weiterbildungsgesetz mit in die Analyse einbezogen, wäre die Gesamtsumme ohne weiteres auf 15 Millionen Euro geklettert. Mit mehr als 2,5 Millionen Euro sind die Informationskosten der Gesetze und Verordnungen in der Zuständigkeit des Agrar- und Umweltministeriums am höchsten. Aber auch die Häuser für Wirtschaft, Bau- und Verkehr sowie Soziales und Gesundheit weisen mit etwa einer Million Euro je Ressort erhebliche Kosten für die Gesetzesbürokratie auf. Kostentreiber sind dabei das Straßen- und das Straßenbaurecht, der Bergbau sowie die Milch-, Fett- und Eierwirtschaft.

Wie Tina Fischer, SPD-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Sonderausschusses, sagte, seien mit dem Quick-Scan-Material "verlässliche Aussagen" darüber möglich, welche Gesetze bei Unternehmen oder Behörden am meisten zu Buche schlagen. Im Einzelnen müsse nun geklärt werden, welche bürokratischen Hürden abgebaut werden könnten.

Für Saskia Funck, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, stellt es kein Problem dar, "wenn bestimmte Berichtspflichten von fünf- auf drei Mal jährlich reduziert werden". Funck bedauert, dass der Wust von 3300 Verwaltungsvorschriften und internen Richtlinien der Ministerien nicht untersucht wurde.

Margitta Mächtig (Linkspartei) will die Hürden beim Lebensmittelschutz weitgehend erhalten, Sparpotenzial sieht sie unter anderem bei den bürokratischen Vorgaben im Straßenbau. Mächtig hält es für ein Unding, dass Behörden sich Informationen gegenseitig in Rechnung stellen oder die Herausgabe mit dem Verweis auf den Datenschutz blockieren. Die Einrichtung eines Informationspools, auf den viele Nutzer Zugriff hätten, sei auch wegen der unterschiedlichen Computersoftware wohl noch für lange Zeit ein Problem, so Mächtig.

Das Bauministerium, in der EIM-Studie als wesentlicher Kostenverursacher genannt, will die Ergebnisse zunächst genau analysieren. Ministeriumssprecher Lothar Wiegand, räumte ein, dass etwa beim Straßenbaurecht ein dichtes Netz an Vorschriften existiere. Aber die zahlreichen Anhörungsverfahren für Bürger seien als Form demokratischer Mitbestimmung unerlässlich.

Quick-Scan-Verfahren

Erste Versuche zur Messung von Bürokratiekosten gab es 1993 in den Niederlanden. Seitdem wurde dort an einem Verfahren gearbeitet, mit dem sich bürokratische Belastungen genau ermitteln lassen. So entstand das Standard-Kosten-Modell (SKM), das seit 2003 europaweit Anwendung findet. Während SKM jedes Gesetz genau analysiert, um Angaben über Kosten und deren Ursachen zu gewinnen, identifiziert das ebenfalls in den Niederlanden entwickelte Quick-Scan-Verfahren zunächst die "Kostentreiber", um schnell zu Vorschlägen zur Kostensenkung zu gelangen. Es wurde festgestellt, dass der niederländischen Wirtschaft jährlich 16,4 Milliarden Euro (3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) allein an Bürokratiekosten entstehen.

Autor(en)/Author(s): Volkmar Krause

Quelle/Source: Märkische Allgemeine, 15.08.2006

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