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Sunday, 8.09.2024
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Der Bürokratieabbau kommt in Brandenburg nur langsam in Fahrt

Mit drei Monaten Verspätung befasst sich das Kabinett am Dienstag mit dem ersten Gesetz zum Bürokratieabbau in Brandenburg. Ministerpräsident Matthias Platzeck hatte auf einem SPD-Landesparteitag im Mai 2005 - zur Überraschung seiner Genossen - ein solches Papier bereits für den vergangenen Dezember angekündigt. Ziel des Vorstoßes: Die SPD sollte die Deutungshoheit über den Bürokratieabbau zurückgewinnen. Bei der Einberufung des gleichnamigen parlamentarischen Sonderausschusses im Juni vergangenen Jahres hatte sich die CDU gegen massive Vorbehalte des Koalitionspartners durchgesetzt.

Bei dem Gesetzentwurf handele es sich um einen "ersten Aufschlag", der - und deshalb die Zeitverzögerung - verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Weitere Schritte zur Senkung von Normen und Standards müssten folgen, sagte Staatskanzleichef Clemens Appel gestern.

Das Gesetz ruht auf drei Säulen. Die erste besteht aus acht Modellregionen (Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Prignitz, Spree-Neiße, Teltow-Fläming, Brandenburg/Havel und Cottbus). Diese Regionen sind von diversen Landesvorgaben befreit. Nach einer Probezeit von maximal drei Jahren soll geprüft werden, ob landesweit so verfahren und die Vorgaben ersatzlos gestrichen werden können. Die zweite Säule betrifft Änderungen von Gesetzen und Vorschriften und die dritte Säule die Aufhebung von Verordnungen.

Etwa 20 Gesetze sollen zunächst bürger- und investorenfreundlicher gemacht werden. Dazu gehört das Fischereirecht, wo unter anderem der Angelschein für Touristen künftig entfällt, die Bauordnung, wo eine deutliche Gebührensenkung vorgesehen ist, und die Liberalisierung der Öffnungszeiten von Biergärten. Zu den Gesetzen, die aufgehoben werden sollen, zählen das Vergnügungssteuergesetz, das Sammlungsgesetz für Haus- und Straßensammlungen sowie die Gebrauchtwarenverordnung. Während der gesamten Laufzeit dieser Verordnung habe der Sinn eine Buchführungspflicht für Gebrauchtwarenhändler nicht ermittelt werden können, heißt es in der Staatskanzlei.

Man habe beim Bürokratieabbau den Fuß in der Tür, "offen ist sie aber noch nicht", räumte Appel ein. Das sieht der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher, ganz anders. "Die Tür ist nicht mal einen Spalt geöffnet worden", schimpft er. Aus dem Modellregionen seien mehr als 150 Vorschläge auf den Tisch gelegt worden "und nicht einmal ein halbes Dutzend wurde berücksichtigt." Unbefriedigend sei auch, dass keine kreisangehörige Stadt zum Modellfall wurde. Laut Böttcher hätten die Kommunen erwartet, dass das Land mindestens zehn Prozent der im Laufe der Jahre vom Landtag beschlossenen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften streicht. Im Land sind gegenwärtig 900 Gesetze und gut 2600 Verwaltungsvorschriften in Kraft.

Ähnlich harsch fällt die Kritik beim Landkreistag aus. Dessen Geschäftsführer Paul-Peter Humpert rügt die ins Gesetz aufgenommene "allgemeine Experimentierklausel". Das schaffe neue Bürokratie, weil für den beantragten Einzelfall ein Genehmigungsverfahren mit Ministeriumsbeteiligung eingeleitet werden muss. Die Industrie- und Handelskammer Potsdam beklagt, dass die Erleichterungen bei der Statistikpflicht von Betrieben nicht beachtet wurden.

Staatskanzleichef Appel mahnt, "die Kirche im Dorf zu lassen". Die Modellregionen dürften nicht mit "Wünsch-Dir-was-Veranstaltungen verwechselt werden". Viele Anregungen, die bislang nicht berücksichtigt worden seien, sollen später in Fachgesetze einfließen. Tina Fischer (SPD), Vorsitzende des Landtags-Sonderausschusses zum Bürokratieabbau, pflichtet Appel bei, dass mit dem Gesetz ein erster Schritt getan wurde. Sollte der Ausschuss, der auf ein Jahr angelegt war, im Sommer weiterarbeiten, hofft Fischer aber auf mehr Unterstützung durch die Landesregierung.

Autor: Volkmar Krause

Quelle: Märkische Allgemeien, 25.03.2006

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