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Friday, 5.07.2024
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Nach dem Pilotprojekt der Kfz-Zulassung in Beelitz fühlen sich Uni-Institut und Stadt verschaukelt

Das Urteil klingt bitter. „Weitgehende Ignoranz im mittelmärkischen Landratsamt“, hat Dr. Tino Schuppan vom Vorstand des Institutes für E-Government der Universität Potsdam diagnostiziert. So wie er fühlt sich auch der Beelitzer Bürgermeister Thomas Wardin (SPD) über Monate verschaukelt. Stein des Anstoßes ist das zum Jahresbeginn vom Landkreis ersatzlos eingestellte Pilotprojekt einer eigenen Kfz-Zulassung in der Stadt Beelitz. „Bis heute hat es keine gemeinsame Auswertung der Ergebnisse mit dem Landratsamt und den Wissenschaftlern gegeben“, teilte Wardin auf der jüngsten Stadtverordnetenversammlung den erstaunten Abgeordneten mit. Gerade das Beelitzer Modellprojekt galt als wichtiger Baustein des so genannten E-Government im Landkreis. Landrat Lothar Koch (SPD) hatte schon sehr früh und öffentlichkeitswirksam das Ziel formuliert, gemeinsam mit der Uni Potsdam Verwaltungsvorgänge durch die Nutzung der Computertechnik zu vereinfachen und bürgernäher zu gestalten. Nach technischen Vorarbeiten und Schulungen konnte das Beelitzer Einwohnermeldeamt seit September 2003 fast alle Dienstleistungen der Kfz-Zulassung anbieten. Einwohnern aus Beelitz und Seddiner See wurde so die umständlich Fahrt zur zentralen Zulassungsstelle in Werder erspart. Mittelfristig sollten auch andere Gemeinden als Verkehrsbehörde tätig werden.

Leider sei es aber bei Lippenbekenntnissen von Landrat Koch zum Fortschritt auf den Datenautobahnen geblieben, resümiert Schuppan, dessen Team das Beelitzer Projekt drei Jahre lang mit Förderung vom Land wissenschaftlich begleitet hat. „Danach habe ich den Verantwortlichen im Landratsamt mehrmals erfolglos ein Auswertungsgespräch angeboten“, sagt er. Mittlerweile habe er den Eindruck gewonnen, „dass man dort lieber im eigenen Saft schmort“. Dahinter verberge sich jedoch mehr als ein Kommunikationsproblem. Sowohl die Wissenschaftler als auch die Vertreter der Stadt Beelitz sind der festen Überzeugung, dass das Modell in Beelitz mit relativ geringem Aufwand fortgesetzt und ausgeweitetet werden könnte. Landrat Koch hat indes verkündet, das Projekt sei zu teuer, die Fallzahlen seien zu gering und die rechtliche Grundlage für eine Übertragung dieser Aufgabe vom Landkreis an die Stadt Beelitz nicht gegeben.

Alle diese Argumente seien leicht zu widerlegen, kontern Schuppan und der Beelitzer Hauptamtsleiter Rudolf Seidel, der maßgeblich an der Einführung der bürgernahen Kfz-Anmeldung beteiligt war. Speziell dafür waren zwei Mitarbeiterinnen des Beelitzer Einwohnermeldeamtes geschult worden. „Sie würden diesen Service gern fortführen, zumal sie viel positive Resonanz von den Einwohnern erfahren haben“, sagt Seidel. Angeboten wurden in Beelitz einfache Serviceleistungen wie Halterummeldungen und zeitweilige Stilllegungen. 90 bis 100 Mal sei dieser Dienst monatlich in Anspruch genommen worden – eine ausreichende Zahl. Würde man den Einzugsbereich der Beelitzer Kfz-Zulassung auf Brück und Treuenbrietzen ausdehnen, könnte auch das volle Servicespektrum einschließlich der Vergabe von Nummernschildern angeboten werden, ist sich Schuppan sicher.

Zu hohe Kosten würden für den Landkreis keinesfalls entstehen. Zwar habe der Kreis in der Pilotphase einige Hundert Euro monatlich für eine DSL-Standleitung von Werder nach Beelitz gezahlt. Das könnte man jedoch heute sehr viel preiswerter haben über eine sichere VPN-Wählverbindung (Virtual Privat Network), so der Wissenschaftler. Bliebe das dritte Argument: die fehlende rechtliche Grundlage für die Aufgabenübertragung. In Beelitz zieht das schon lange nicht mehr. Mehrmals habe das Verkehrsministerium signalisiert, das Landesorganisationsgesetz könnte in diesem Fall verändert werden, wenn der Landkreis es wünsche.

Für Tino Schuppan steht fest: „Das Beispiel Beelitz hat gezeigt, dass effektive Lösungen für eine dezentrale und moderne Verwaltung bereits vorliegen. Für die Umsetzung müsse allerdings auch der Wille in den Amtsstuben vorliegen. In der Stadtverwaltung Beelitz habe er diesen verspürt, im Landratsamt nicht. Das Beelitzer Pilotprojekt sei nicht umsonst gewesen, hatte Kreis-Ordnungsamtsleiter Reinhard Wilke Anfang des Jahres im Verkehrsministerium versichert. Der Landkreis beabsichtige, die Verkehrszulassung künftig auch in den Außenstellen des Landratsamtes in Belzig und Teltow anzubieten (PNN berichteten).

Ministeriumssprecher Lothar Wiegand begrüßte damals dieses Vorhaben: „So kommt man zu Fallzahlen, die eine Dezentralisierung lohnenswert machen.“ Mittlerweile hat sich das Landratsamt aber auch von diesen Projekten wieder verabschiedet. Die Kosten wären zu hoch, sagte Koch auf der jüngsten Kreistagssitzung. Die Kreistagsabgeordneten aller Fraktionen wollen das jedoch noch nicht akzeptieren und fordern eine konkrete Aufschlüsselung der Zahlen. „Im Fall Beelitz warten wir darauf schon seit neun Monaten“, ärgert sich die Grünen- Abgeordnete Elke Seidel. Für sie steht fest: „Nur durch politischen Druck aus allen Fraktionen kann hier noch etwas bewegt werden.“

Autor: Hagen Ludwig

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 08.10.2005

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