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Friday, 5.07.2024
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Eine Steuererklärung in nur drei Minuten am Computer zu erledigen - geht das? In Estland schon, sagt Clyde Kull, Botschafter des baltischen EU-Neulings in Berlin. Denn die Ostseerepublik sei mittlerweile komplett durchelektronisiert. Die Aktion "Tigersprung" sorgt dafür, dass alle Schulen des Landes Internet-Zugang haben, es gibt eine "papierlose" Regierung (E-Government) und öffentliche Internetpunkte wie anderswo Telefonzellen.

Der Botschafter, am Mittwoch Forumsgast der FDP-Landtagsfraktion in Magdeburg, preist die estnischen ökonomischen Erfolge. Fünf bis sechs Prozent Wachstum in den vergangenen fünf Jahren, Spitzenreiter im Baltikum. Das Steuersystem - ein Kinderspiel mit einem verlockenden einheitlichen Einkommensteuersatz von 24 Prozent, Steuern auf Gewinne entfallen ganz. Dazu kämen hochqualifizierte Arbeitskräfte, lernbegeistert und flexibel, wie der Botschafter betont - bei einem Durchschnittslohn von 540 Euro im Monat. Das biete viel Spielraum auch für deutsche Direktinvestionen. Bisher seien 372 Firmen aus der Bundesrepublik in Estland, das 1,4 Millionen Einwohner zählt und so groß wie die Niederlande ist, präsent.

Die estnische Erfolgsgeschichte soll in der EU, zu der das Land seit einem guten Jahr gehört, fortgeschrieben werden. Die Zwischenbilanz, die der Botschafter zieht, ist durchwachsen. Weniger Bürokratie, etwa durch Abschaffung von Doppelzöllen, stünden neue Hindernisse im Warenverkehr mit Drittländern gegenüber. Dass es etwa keinen Freihandel mit der Ukraine mehr gebe, bedeute für die estnische Fischindustrie einen herben Rückschlag. Auch habe nicht jeder estnische Betrieb im europäischen Wettbewerb mithalten können. Hinzu kämen höhere Preise für Nahrungsmittel und Öl. Auch Immobilien seien in Estland teurer geworden.

Darin aber sieht Kull einen Index für den Vertrauenszuwachs in die wirtschaftliche Entwicklung. "Von den osteuropäischen Tigern geht eine Botschaft der Hoffnung aus", sagt der estnische Diplomat und wird dann mit Blick auf den Westen sehr deutlich: "Um das alte Europa ist es still geworden." Dort herrschten "Depression und Fatalismus". Allerdings: Mit europäischen Strukturhilfen aus dieser Richtung lässt sich der fauchende Tiger Estland gern füttern.

Autor: Steffen Honig

Quelle: Volksstimme, 17.06.2005

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