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Wednesday, 3.07.2024
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Der Vertrag für die Implementierung des integrierten Grenzsicherungsystems in Rumänien wird neu verhandelt, haben Vertreter der rumänischen Regierung mitgeteilt. Man wolle eine Überschneidung mit dem ähnlichen PHARE-Programm der Europäischen Union (EU) vermeiden. Die rumänische Regierung möchte vielmehr "einen korrekten Preis für die Grenzsicherung bezahlen". Auf Vorschlag des rumänischen Innenministers Vasile Blaga unterschrieb Regierungschef Calin Popescu Tariceanu am Dienstag, 15. Februar, den Beschluss über die Aufhebung der Geheimhaltung des Vertrages mit der European Aeronautic Defense and Space Company (EADS). Dadurch wird der Zugang zum Vertragsinhalt möglich. Der Vertrag der vorherigen Regierung von Premier Adrian Nastase mit EADS wurde am 12. August 2004 in Bukarest in Anwesenheit von Bundeskanzler Schröder feierlich unterschrieben. Es sah die technische Ausrüstung der 3147 Kilometer langen Grenze vor, einschließlich zum EU-Land Ungarn und zu Bulgarien, das gemeinsam mit Rumänien ab 2007 der EU beitreten soll. Teile der Kosten aus dem Vertrag wären damit für die Sicherung einer EU-Binnengrenze entstanden. Laut einer Mitteilung von EADS sieht der Vertrag die Aufrüstung von "184 Dienstellen und Trainingszentren an der Akademie der Grenzpolizei vor." In Kooperation mit Siemens "und anderen Partnern" würden Überwachungssysteme wie Infrarotkameras, eine Führungs-und Kontrollsoftware sowie eine Kommunikations-und IT-Infrastruktur" errichtet. Darüber hinaus verantwortet EADS die technische Integration der Systeme auf Plattformen wie Hubschrauber, Schiffe, Grenzkontrollfahrzeuge und die individuelle Aufrüstung der Grenzpolizisten." Für den digitalen Funkverkehr der rumänischen Grenzschützer sollte das von EADS entwickelte Tetrapol-System eingesetzt werden.

Wie sich nach Recherchen der rumänischen Tageszeitung Romania Libera herausstellte, erhielt das deutsch-französische Unternehmen, entgegen rumänischen gesetzlichen Bestimmungen, den Riesenauftrag über eine Milliarde Euro ohne die gesetzlich vorgesehene öffentliche Ausschreibung. Mit Bezug auf diese Medienberichte hatte Michael Meissner, bei EADS Vizepräsident des Bereichs Defence and Security Systems, im Dezember 2004 gegenüber heise online erklärt, die Verträge mit EADS seien geprüft und entsprächen den rumänischen Gesetzen. Im Übrigen machten die Kosten der Tetrapol-Installation nur ein Fünftel des gesamten Vertrags aus.

Auch der Zuschlag für einen rumänischen Autobahnabschnitt an den US-amerikanischen Konzern Bechtel war ohne öffentliche Ausschreibung erfolgt. Diese undurchsichtigen Projekte der damaligen rumänischen Regierung hatten in der Öffentlichkeit einen Sturm der Empörung ausgelöst. Die Europäische Union kritisierte den überteuerten Vertrag und hatte Rumänien eine Projektfinanzierung wegen mangelnder Transparenz abgelehnt. Auch müsse Rumänien die Respektierung der EU-Normen hinsichtlich der Auftragsvergabe an EADS noch beweisen, hatte Brüssel im Oktober 2004 mitgeteilt. Über ominöse Beziehungsgeflechte zwischen einer von der Regierung gegründeten Lobby-Agentur für Auslandsinvestitionen und Topmanagern deutscher Konzerne wie Daimler-Chrysler, Siemens, Eon und nicht zuletzt EADS ist in der rumänischen Presse ausführlich berichtet worden.

Romania Libera schrieb am 15. Februar, dass über 160 Millionen Euro "für das Phoenix-Netz aus dem Fenster geworfen wurden". Das rumänische Ministerium für Kommunikation und Technologie habe dem Innenministerium mitgeteilt, dass der Tetra-Standard "europaweit ein Standardsystem" sei. Hierfür hat sich unter anderem der Nachbarstaat Bulgarien entschieden. Außerdem fragt die Zeitung, wie es dazu kommen konnte, dass man sich in Rumänien für Tetrapol entschied, wenn die Regierung am 13. Mai 2004 doch beschlossen hatte, das Tetra-System für die "Staatsverteidigung" auszuwählen? Die am 12. Dezember 2004 neu gewählte Regierung unter Präsident Traian Basescu hat es zur Chefsache gemacht, die in den letzten Legislaturperiode vom rumänischen Haushalt großzügig bezahlten Auslandsaufträge eingehend zu untersuchen. Fast alle Unterzeichner der Verträge auf Regierungsseite hätten nach den Vertragsabschlüssen über Nacht ihr Vermögen auf wundersame Weise vermehrt.

Autor: (Manola Romalo) (ssu/c't)

Quelle: Heise online, 17.02.2005

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