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Sunday, 8.09.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Gewissermaßen in letzter Minute ist in Deutschland eine allgemein noch wenig beachtete Bestimmung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ("Dienstleistungsrichtlinie") umgesetzt worden: Danach steht Dienstleistern ab heute überall ein "Einheitlicher Ansprechpartner" (EA) zur Verfügung, der als zentraler Kontakt zu den verschiedensten Behörden und anderen relevanten Stellen, etwa Handwerks- und Handelskammern, dient. Das betrifft nicht zuletzt auch Selbstständige in IT-Branchen, etwa Programmierer, Computershop-Betreiber oder Web-Gestalter, die sich irgendwo ansiedeln wollen. Ob es darum geht, eine geeignete Immobile zu mieten oder zu kaufen, geltende Bestimmungen über das Anbieten der beabsichtigten Dienstleistungen in Erfahrung zu bringen oder melderechtlichen Erfordernissen nachzukommen: Es soll nicht mehr nötig sein, einen Hindernislauf durch verschiedene Ämter, Außenstellen, Rathäuser und Kammern anzutreten. Für Interessenten, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, steht zur Orientierung ein englischsprachiges Eingangsportal zur Verfügung. Aufgrund der föderalen Zuständigkeitsverteilung ist die Einrichtung der EAs in Deutschland Ländersache. Die Ansprechpartner, die in Deutschland bei Behörden und anderen relevanten Stellen, etwa Handwerks- und Handelskammern, in den Kreisen und kreisfreien Städten angesiedelt sind, sollen online und auch persönlich erreichbar sein.

Soweit die Theorie – in der Praxis sieht es so aus, dass nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei den mit der Durchführung des EA-Projekts Betrauten offenbar große Unsicherheit darüber herrscht, wie man die äußerst anspruchsvolle Aufgabe lösen soll und wie man den Dienstleistern tatsächlich die Ansiedlung erleichtert. An verschiedenen Stellen – beispielsweise bei der Handwerkskammer in Hamburg – gibt es Mitteilungen über die heutige Einführung des EA, und es mangelt auch nicht an theoretischen Informationen über das Projekt, aber allgemeinverständliche Hinweise und simple Links nach dem Muster "Klicken Sie hier, um Ihre steuer-, melde-, ordnungs-, standort- und standesrechtlichen Fragen an Ihren EA zu stellen" sind bislang eher Mangelware. Vorbildlich erscheint hier etwa die Website des Landkreises Cuxhaven oder auch die Benutzerführung mit den Eingabemasken des Dienstleisterportals Niedersachsen. Da die Verwirklichung der EA-Ansprache dezentral gelöst werden muss, gibt es regional starke Unterschiede in der Präsentation. Dabei soll eine "Einheitlichkeit des Auftritts trotz Vielfalt der Träger" sichergestellt sein. Aufgrund rechtlicher Besonderheiten wird es trotz des heutigen Stichtags vielerorts erst im Januar möglich sein, einen passenden EA zu erreichen.

Am heutigen Montag läuft die Frist für die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ab; insofern geschieht die Einführung des EA gerade noch rechtzeitig. Die Richtlinie entstand mit dem Ziel, den freien Verkehr von Dienstleistungen innerhalb des europäischen Binnenmarkts zu vereinfachen. Die Beseitigung der Beschränkungen für die Entwicklung von Dienstleistungstätigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten sei "ein wichtiges Mittel für ein stärkeres Zusammenwachsen der Völker Europas und für die Förderung eines ausgewogenen und nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts". Dienstleistungen seien zwar der Motor des Wirtschaftswachstums und trügen in den meisten Mitgliedstaaten der 70 Prozent zu Brutto-Inlandsprodukt (BIP) und Beschäftigung bei. Doch die Fragmentierung des Binnenmarktes behindere eine größere Auswahl an Dienstleistungen zu konkurrenzfähigen Preisen. Die EU betont in ihrer Richtlinie besonders auch die Bedeutung der Dienstleistungsbranche für Frauen – sie hätten von der "Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen" besonders viel zu erwarten.

Grundsätzlich sieht die Richtlinie vor, dass Anträge elektronisch über den EA abgewickelt werden können. In Deutschland ist es zudem möglich, in persönlichen Kontakt mit einem EA zu treten. Dieser soll nämlich "dialogfähig" sein, um den Dienstleistern mit ihren speziellen Fragestellungen helfen zu können. Das kann zum Beispiel abweichende Berufsbilder, ausländische Gesellschaftsformen oder die Anerkennung fremdsprachlicher Nachweise betreffen. In Deutschland ist die Regelung so umgesetzt worden, dass sie Dienstleistern aus dem Inland und den europäischen Nachbarländern gleichermaßen zugute kommt.

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Autor(en)/Author(s): (ggo)

Quelle/Source: Heise online, 28.12.2009

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