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Veröffentlicht: 30. November -0001
Die Stadtverwaltung Potsdam hat sich in einem Verfahren vor der
World Intellectual Property Organization (WIPO) gleich vier Domains erstritten: potsdam.com, potsdam.net, potsdam.org und potsdam.info. Weggeschnappt hat die Stadt die Domains aber nicht etwa einem Domaingrabber in Übersee, sondern der ortsansässigen potsdam.com Internetservice GmbH. Diese bietet unter anderem auch kostenlose Dienste für Potsdamer User an. Darüber, was aus den rund 2500 freien Mail-Adressen unter @potsdam.net wird und wie es mit dem von potsdam.com kostenlos betriebenem Potsdamer Schulnetz weitergeht, hat man sich laut Auskunft der Stadtverwaltung erst mal noch keine Gedanken gemacht. Der Geschäftsführer von potsdam.com, Jörg Pelz, wandte sich gestern mit einem
Aufruf an die Potsdamer Bürger. Mit der Durchsetzung des WIPO-Urteils gefährde die Stadt nicht nur die Existenz seines 10-Mann-Unternehmens, sondern akut auch das Potsdamer Stadtschulnetz und Sponsorenleistungen für rund 50 Vereine, die unter potsdam.org kostenlos gehostet werden. Seit Jahren liefere man für die Schulen unentgeltlich das Datenvolumen, stelle kostenlos Domain- und E-Mail-Service zur Verfügung, beherberge den Stadtschulserver und helfe auch bei Hardwareproblemen mal aus. Pelz hat die com-, net- und org-Domains nach eigenen Angaben seit Ende der 90er Jahre nach und nach in den USA für ein paar tausend Mark zusammengekauft, um sie nach Potsdam zu holen.
Einspruch gegen den WIPO-Bescheid habe er nicht erhoben, weil er sich angesichts von Präzedenzfällen wie Barcelona.com keine Chancen ausgerechnet habe. Außerdem sei er an einer juristischen Eskalation nicht interessiert, da er gleichzeitig Auftragnehmer der Stadt sei. "Wir versuchen deshalb seit Wochen erfolglos, ein Gespräch mit dem neu gewählten Bürgermeister zu bekommen", sagt Pelz. Dem Unternehmen steht abgesehen vom öffentlichen Protest, für den es nach Aussagen von Pelz viel Unterstützung gibt, noch die Möglichkeit offen, ein deutsches Gericht anzurufen. Zunächst werde man aber weiter auf einen Kompromiss setzen.
Sönke Jensen, Justitiar der Potsdamer Stadtverwaltung, sagt, dass sich die Stadt für das WIPO-Verfahren entschieden habe, nachdem Gespräche über eine Übertragung vor etwa einem Jahr gescheitert seien. Dass bei einer Domain-Übertragung viele kostenlose Services für Privatnutzer, Vereine und Schulen in Potsdam betroffen sind, habe er nicht gewusst. Wie es nun weitergeht, ob die Stadt beispielsweise bereit ist, die genannten Dienste zu übernehmen, dazu könne lediglich das Presseamt Auskunft geben. Die dortige Bereichsleiterin Regina Thielemann will sich dazu derzeit nicht äußern.
Autor: (Monika Ermert) / (anw/c't)
Quelle: Heise Online, 12.11.2002