Selbstverständlich wie die EC-Karte am Bankomat soll die Bürgerkarte im Rathaus werden. Das hofften die Bürgermeister der drei Pilotstädte Ulm, Passau und Bremerhaven beim Start des bundesweiten Versuchs. Freunde des Denglischen können sich ein neues Wort ins Vokabelheft schreiben: das E-Government soll in Deutschland Einzug halten. Darunter versteht man den digitalen Zugang mit einer unverwechselbar Identität zu den Dienstleistungen des Rathauses. "Wir verstehen uns als Lokomotive", erklärt Rolf Johannsen, der in Ulm das Projekt betreut. Noch immer verzichteten viele Bürger auf die bequemen Einkaufsmöglichkeiten des weltweiten Datennetzes, aus Angst, sie könnten ausspioniert und betrogen werden. Wer eine Bürgerkarte samt Lesegerät für knapp 20 Euro besitzt, könne sicher sein, dass kein Hacker mitbekomme, was er bestelle oder unterschreibe. Die Dienststelle im Rathaus aber wisse hundertprozentig, wer da den Pass verlängere, einen Hund anmelde und einen Angelschein beantrage. "Die Daten werden praktisch im verschlossenen Briefumschlag verschickt", erläuterte ein Techniker bei der Vorstellung die Vorzüge der Software.
Hat man eine Bürgerkarte, kann man mitten in der Nacht oder am Samstag Dienstleistungen der Stadtverwaltung in Anspruch nehmen. Andreas Fenster, der sich als erster von 130 Antragstellern schon im August für das Pilotprojekt in Ulm angemeldet hat, sieht darin einen großen Vorteil. Bisher will die Stadt Ulm 30 Formulare bereitstellen, auf die Kartenbesitzer elektronisch zugreifen können. Andreas Fenster ist neugierig und möchte dabei sein, wenn eine neue Technik ausprobiert wird.
Der Finanzbürgermeister der Stadt Ulm, Gunter Czisch, setzt auf diesen Spieltrieb. Denn dass sich die Menschen zur Bürgerkarte drängen, kann nicht behauptet werden. In Ulm gibt es zwar außer den 130 Antragstellern noch genauso viel Interessenten, doch das Kontingent von 500 Karten, das die Bundesdruckerei zur Verfügung stellt, ist nicht ausgeschöpft. In Passau haben sich 50 Interessenten angemeldet. In Bremerhaven wurde erst mit der Werbung begonnen. Vorerst ist auch schwer vermittelbar, was Bürger, die kein sonderliches technisches Interesse haben, mit der Karte anfangen sollen. Digital heiraten bleibt auf jeden Fall verboten, das Auto anzumelden rentiert sich nicht, da man die Nummernschilder weiter abholen und anschrauben muss. Auch die Zugangssoftware, das gibt Rolf Johannsen zu, hält nicht alles, was man sich versprochen hat. Deshalb müssen die Ulmer auch noch auf ihre Bürgerkarten warten. Dabei ist das Pilotprojekt schon am 30. Juni 2003 beendet. Die Karte soll aber drei Jahre lang gültig bleiben.
Bürgermeister Czisch will erreichen, dass auch die Stadtwerke und andere stadtnahe Betriebe Dienste anbieten. Es gäbe schon intensive Gespräche. Auch mit der IHK wurden Kontakte geknüpft, um die Nutzungsmöglichkeit zu erweitern. Einig waren sich alle Beteiligten bei der Vorstellung des Pilotversuchs, dass nur, wenn es gelinge, so gut wie alle Dienstleistungen auf einem einzigen Plastikausweis zu vereinen, die Bürgerkarte auch Erfolg haben werde. Ein Glück dabei, dass man zum Standesamt dann trotzdem noch persönlich gehen darf.
Quelle: Stuttgarter Zeitung