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Freitag, 5.07.2024
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Bundesministerien diskutieren, Bundeskriminalamt schafft Fakten

Im Frühjahr zeigte sich die Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zur Biometrie noch recht kritisch: Die tatsächliche Leistungsfähigkeit biometrischer Systeme sei "nicht seriös einzuschätzen". Und verschiedene Tests zeigten, wie leicht sich die biometrischen Systeme überlisten lassen. Doch nun basteln verschiedene Bundesministerien leise an der Weiterentwicklung des Personalausweises hin zu einer Chipausweiskarte mit elektronisch erfassten biometrischen Merkmalen: Sie wollen demnächst eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Das Bundeskriminalamt (BKA) setzt allerdings nicht auf Worte, sondern auf Taten. So erweitert es jetzt zusammen mit den Länderpolizeien die biometrische Erfassung von Straftaten und schafft Infrastrukturen, auf die auch der elektronische Personalausweis aufsetzen wird.

Ende 2002 stellt das BKA mit dem neuen, bundesweit betriebenen Verfahren "Meta-Morpho" das seit fast zehn Jahren erfolgreich betriebene "Automatisierte Fingerabdruck- Identifizierungssystem" (AFIS) auf eine effizientere Software um. Sie wertet nicht nur Fingerabdrücke und Fingerspuren aus, sondern auch Handflächenabdrücke und Handflächenspuren. Die Kriminalisten sehen darin einen "entscheidenden Fortschritt", da eine nicht unerhebliche Zahl der an Tatorten hinterlassenen Spuren von Handflächen stammen. Derzeit werden 500.000 bereits erfasste, nicht jedoch ausgewertete Handflächenabdrücke rückwirkend im AFIS eingebracht.

Auch das Graphitpulver hat jetzt ausgedient: Nach einem Feldversuch des Bundeskriminalamtes beschaffen die ersten Bundesländer die 40.000 Euro teuren "Livescan"-Stationen. Mit ihnen werden Fingerabdrücke digital - also nicht mehr mit Druckerschwärze - aufgenommen und in das AFIS übertragen. Die Abnahme geschieht mit einem integrierten Scanner. Nach festgelegten Algorithmen erfolgt dann der Aufbau des personenbezogenen Datensatzes aus den gescannten Abdrücken der Finger und Handflächen und den manuell eingegebenen Personaldaten. Am Ende generiert das Computersystem eine Datei, welche in ihrer Ansicht dem gewohnten Fingerabdruckblatt entspricht. Mit der neuen Software "MetaMorpho" werden die "Livescan"-Stationen direkt an das zentrale AFIS im Bundeskriminalamt angebunden.

Thüringen führte als erstes Bundesland das neue Verfahren ein. Thüringens Innenminister Christian Köckert nutzte dies für die Forderung, biometrische Daten in Pässen, Personalausweisen und Visa nicht mehr zu blockieren. Damit könnten islamistische Extremisten sicher identifiziert werden, die oft eine Vielzahl von Alias-Namen verschiedenster Schreibweisen tragen, argumentierte Köckert. In Bayern werden derzeit mehrere Städte mit Geräten zur elektronischen Erkennung von Fingerabdrücken ausgestattet. Die Geräte sollen noch in diesem Jahr an Polizeidienstellen in Augsburg, München, Nürnberg, Traunstein und Waidhaus ausgeliefert werden. Für die Einführung des neuen Verfahrens stellt der Freistaat bis 2004 insgesamt rund drei Millionen Euro zur Verfügung.

Fälschungssicher arbeiten die Livescan-Stationen nach Einschätzung des Experten Rudolf Hauke von Biometric Partners nicht, aber die Einsatzumgebung lasse keine Fälschung zu: Die Polizeibeamten selbst überprüfen, ob ein echter oder etwa gar nur ein Gelatinefinger erfasst wird. Letztlich führt die Entwicklung der elektronischen Übermittlung von Fingerabdruckdaten dazu, dass das Bundeskriminalamt als Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen den Erkennungsdienst nicht mehr als umfangreiche Sammlung so genannter Fingerabdruckblätter unterhält, sondern in Form von Datenbanken weitgehend "papierlos" betreibt. In den USA und in Schweden wurden bereits große Erfolge beim Einsatz der Fingerprintsysteme erzielt.

1903 übernahm in Deutschland als erstes die Dresdner Polizei die Daktyloskopie. In den letzten Jahren identifizierte die Polizei mehr als 13.000 Spurenverursacher - zu Zeiten des manuellen Vergleichs wären dafür mehr als 20 Jahre benötigt worden. Aktuell sind in AFIS die Fingerabdrücke von mehr als 3 Millionen Personen gespeichert; dazu kommen täglich bis zu 1.400 neue Datensätze.

Quelle: Telepolis

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