In Österreich wurde Ende November die Auslieferung der neuen Gesundheitskarten ("E-Card") abgeschlossen. Insgesamt verschickte der Münchner Hersteller Giesecke & Devrient etwa 8,2 Millionen Chipkarten, die ohne Foto des Versicherten gedruckt wurden. Über 10.600 Ärzte sind bislang an das System angeschlossen, rund 280 Mediziner kommen noch bis Jahresende dran. Die Karte soll in erster Linie das in Österreich verwendete Verfahren mit Krankenscheinen ablösen und helfen, den Anspruch des Versicherten auf medizinische Behandlung zu überprüfen. Jedoch sind weitere Anwendungen implementiert und geplant. Außerdem ist inzwischen eine kostenlose Nutzung als "Bürgerkarte" mit paralleler digitaler Signatur für E-Government ebenfalls möglich.
Die österreichische Karte unterscheidet sich vom deutschen Ansatz vor allem dadurch, dass in kleinen Schritten vorgegangen wurde. So enthält die E-Card derzeit noch keine sensiblen Gesundheitsdaten. Statt alle Funktionen zu Beginn zur Verfügung stellen zu wollen, haben sich die Österreicher für eine schlanke Plattform entschieden, auf der in den folgenden Jahren neue Anwendungen aufbauen. Hierzu zählen etwa die Anbindung von Krankenhäusern (erst nach den niedergelassenen Ärzten), die E-Überweisung, Pläne für Vorsorgeuntersuchungen, die Krankmeldung, die Notfalldaten des Patienten, das E-Rezept sowie einige landestypische Ausprägungen des Gesundheitswesens. Zudem werde die "nachladefähige" Karte mit dem Ziel eingeführt, sagte Gesundheitsministerin Rauch-Kallat vor Journalisten in Wien, künftig die "lebenslang begleitende Gesundheitsakte" (Elga) darauf abzulegen.
Die Ministerin lobte die Karte auch als "Meilenstein im E-Government". Problem ist hier das "Henne-Ei-Prinzip": Gibt es keine Signaturkarten, werden keine E-Government-Anwendungen entwickelt - weshalb sich wiederum der Einsatz von Signaturkarten nicht lohnt. Österreich sei nach der vollständigen Auslieferung der Karte an alle Bürger ein internationales Vorbild, so Rauch-Kallat. Wegen des parallelen Einsatzes als E-Government-Schlüssel heißt die Karte daher auch nicht Gesundheitskarte, sondern schlicht E-Card.
Vorteilhaft für die relativ zügige Projektabwicklung waren allerdings noch zwei weitere entscheidende Faktoren: Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger kann als übergeordnete Projektinstanz den nötigen Druck erzeugen, um die Entscheidungsfindung zu beschleunigen. Außerdem hat Österreich vor Jahren bereits ein E-Card-Projekt an die Wand gefahren und aus den Fehlern gelernt.
Derzeit laufen pro Tag zwischen 320.000 und 450.000 medizinische Transaktionen über das System. Die Komplikationen waren nach Angaben der Ministerin "sehr gering". Neben 12,5 Betriebsstunden im Offline-Modus - hier werden die Transaktionen auf dem proprietären Router "Gina-Box" zwischengespeichert und später im Online-Modus abgeglichen - ist die Plattform auch einmal komplett abgestürzt: Während das eine Rechenzentrum außer Betrieb gegangen war, hatten Wartungsarbeiten die Stromversorgung im gespiegelten RZ lahm gelegt. Die Unix-Rechner von IBM stehen in zwei verschiedenen Wiener Bezirken und sind mit einer Glasfaserleitung verbunden. Daten werden täglich aktualisiert.
Derweil wurde in Deutschland wieder die Kostendiskussion um die Gesundheitskarte aufgenommen. Insgesamt sei mit Aufwendungen von vier Milliarden Euro zu rechnen, behauptete Klaus Dietz, Geschäftsführer des Bundesverbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV), im Nachrichtenmagazin "Focus". Das Gesundheitsministerium in Berlin schätzt die Kosten auf rund 1,4 Milliarden Euro.
Autor: (ajf)
Quelle: Computerwoche, 13.12.2005