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Dienstag, 26.11.2024
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Spät am Abend fiel gestern die Entscheidung: Der Landtag in Schwerin verabschiedete die radikalste Kreisreform seit 1945.

Das Vorhaben ist kühn: Aus zwölf Kreisen und sechs kreisfreien Städten Mecklenburg-Vorpommerns werden fünf Großkreise - die flächenmäßig größten Kreise in ganz Deutschland. Über fast 7000 Quadratkilometer wird sich der neue Kreis Westmecklenburg von der Ostsee bis zur Elbe erstrecken, wenn wie erwartet der Landtag im Schweriner Schloss heute in den allerersten Morgenstunden dem wichtigsten Vorhaben der rot-roten Landesregierung zugestimmt hat. Da passt das Saarland dreimal rein.

Was geschieht, falls die gestern Abend als sicher geltende knappe Mehrheit doch nicht zustande kam, darüber wagte gestern niemand laut zu spekulieren. Die Folgen wären vermutlich katastrophal für SPD und PDS/Linkspartei wenige Monate vor der Landtagswahl am 17. September. Dass die Reform mit der Zustimmung des Landtags perfekt ist, steht nicht fest: Die oppositionelle CDU und Landkreise haben Verfassungsklagen angekündigt.

Die Reform besteht aus einer Vielzahl von Gesetzen, die zum größten Teil bereits beschlossen sind. Krönender Abschluss ist das Verwaltungsmodernisierungsgesetz. Es regelt die beiden Kernpunkte der Reform, die im Oktober 2009 umgesetzt werden sollen: die Übertragung von Landesaufgaben auf die Kreise und von Kreisaufgaben auf die Kommunen, außerdem die Zusammenlegung der zwölf Kreise und sechs kreisfreien Städte zu nur noch fünf Großkreisen.

Die Landesregierung hält die Reform für zwingend, damit Mecklenburg-Vorpommern endlich die roten Laternen in der Arbeitslosen- und Einkommensstatistik los werden und auch auf längere Sicht als Bundesland überleben kann. Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD): "Erstens haben wir noch zu viel Bürokratie. Und zweitens geben wir noch immer viel zu viel Geld aus für die Verwaltung." Zu diesem Schluss kam auch der Landesrechnungshof. Nach Vergleichen mit Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz kamen er zu dem Ergebnis, dass die Personalkosten im Nordosten zwölf Prozent höher liegen, dass rund 600 Millionen Euro eingespart werden müssen.

tei-Fraktion intern mehrheitlich gegen die Reform votierte. Mit einem geschickt formulierten Parteitagsbeschluss wahrte die Parteispitze ihr Gesicht - und rettete die Koalition.

Nur 5 der 13 PDS-Parlamentarier wollen der Verwaltungsreform zustimmen. Das würde knapp für die erforderliche Mehrheit im Parlament reichen. Eider Konkurrenz durch die WASG, die eigenständig zur Wahl antreten will, schon nicht so einfach werden dürfte.

Die CDU konnte aus den Querelen bislang kaum erkennbaren Nutzen ziehen. Sie will zwar die Aufgabenübertragung im Rahmen der Verwaltungsreform unterstützen. Die geplante Kreisgebietsreform lehnt sie aber rigoros ab. "Damit geht der Bürgerkontakt endgültig verloren", begründet der CDU-Landesvorsitzende und -Spitzenkandidat Jürgen Seidel die Unionshaltung. Auch die Kreistage votierten geschlossen gegen die Bildung der Riesenkreise, in denen künftig zwischen 250.000 und 500.000 Menschen leben würden. Wie die Betroffenen das selbst sehen, auch darauf wird bei der Wahl am 17.Um Mecklenburg-Vorpommerns Bürger trotzdem weite Wegen zu den Behörden zu ersparen, bieten Behörden ihren Service künftig weitgehend über das Internet an: "E-Government" heißt das Schlagwort. Vor allem das Meldewesen wird damit total modernisiert.

In Schleswig-Holstein wird eine Kreisreform nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert - jedenfalls in den Regierungsparteien. Hintergrund: CDU und SPD haben eine Gebietsreform bis 2010 im Koalitionsvertrag ausgeschlossen. Man müsse jedoch sehen, wie sich die Kreise in den nächsten zehn Jahren entwickelten, erklärte gestern Regierungssprecher Christian Hauck. Innenminister Ralf Stegner (SPD) mag nicht so weit in die Zukunft blicken. Am 25. April will er im Kabinett seine Aufteilung für eine Hand voll Kommunaler Verwaltungsregionen vorstellen. Bei ihnen sollen Landesaufgaben gebündelt werden. "Was sich daraus später mal entwickelt, kann niemand voraussagen."

Die Grünen haben kein Verständnis für die Haltung der Landesregierung. Der Landtagsabgeordnete Karl-Martin Hentschel forderte mehr Mut und kritisierte "das Gekasper, bei dem beide Regierungsfraktionen eine Kreisreform ablehnen, obwohl sie wissen, dass sie notwendig ist". Tatsächlich war die SPD schon mal weiter: Die Genossen hatten sich zusammen mit den Grünen bereits auf fünf Regionalkreise geeinigt. Lübeck und Kiel sollten als kreisfreie Städte erhalten bleiben. Derzeit sind die Grünen dabei, zu errechnen, wie viel Geld mit nur fünf Kreisen gespart werden kann.

Geringere Verwaltungskosten überzeugen auch die Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein: "Wenn die Reformen in Mecklenburg-Vorpommern dazu führen, dass die öffentlichen Haushalte entlastet werden und die Verwaltungen noch effizienter arbeiten, kann dies beispielgebend für Schleswig-Holstein sein", sagte IHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann.

Der CDU-Innenexperte Peter Lehnert hält die beiden Bundesländer indes für nicht vergleichbar: "Handlungsbedarf gibt es in Mecklenburg vor allem, weil dort in den kommenden zehn bis 15 Jahren ein erheblicher Bevölkerungsrückgang zu erwarten ist." dpa/jupie Kreise in den nächsten zehn Jahren entwickelten, erklärte gestern Regierungssprecher Christian Hauck. Auch Innenminister Ralf Stegner (SPD) mag nicht so weit in die Zukunft blicken. Am 25. April will er im Kabinett seine Aufteilung für eine Hand voll Kommunaler Verwaltungsregionen vorstellen. Bei ihnen sollen Landesaufgaben gebündelt werden. "Was sich daraus später mal entwickelt, kann niemand voraussagen."

ächlich war die SPD schon mal weiter: Die Genossen hatten sich mit den Grünen bereits auf fünf Regionalkreise geeinigt. Lübeck und Kiel sollten als kreisfreie Städte erhalten bleiben. Derzeit errechnen die Grünen gerade, wie viel Geld mit nur fünf Kreise gespart werden kann.

Autor: dpa/jup

Quelle: Lübecker Nachrichten, 06.04.2006

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