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Sonntag, 10.11.2024
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Wenn Hamburg am 24. Februar über die Neubesetzung der Bürgerschaft entscheidet, steht ein Verlierer schon fest: Für den Digitalen Wahlstift, der wie das reformierte Wahlrecht kommendes Jahr Premiere feiern sollte, kam das Aus bereits Ende vergangener Woche. Die drei in der Hamburger Bürgerschaft vertretenen Parteien CDU, SPD und GAL verständigten sich darauf, die 12.000 Stifte mit Dockingstation und Laptops, für die insgesamt 4,5 Millionen Euro aufgewendet wurden, nicht einzusetzen – auch nicht als Zählhilfe zur Unterstützung der manuellen Auszählung.

Eigentlich sollte das elektronische Stimmerfassungssystem, bei dem ein in den Stift integrierter Bildsensor das Votum des Wählers registriert und über eine Dockingstation an ein Laptop überträgt, die Ergebnisermittlung der deutlich komplizierter gewordenen Wahl erleichtern. Denn mit dem neuen Wahlrecht, das dem Bürger mehr Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Bürgerschaft ermöglicht, stehen jedem Wähler nun sechs Stimmen zur Verfügung, davon eine für den (einheitlichen) Landeslistenstimmzettel und fünf für den jeweiligen Wahlkreislistenstimmzettel.

Da auf Wahlkreisebene auch Einzelkandidaturen möglich sind – Bedingung ist, dass die sich zur Wahl stellende Person mindestens 100 wahlberechtigte Befürworter aus ihrem Wahlkreis vorweisen kann – können in großen Wahlkreisen wie Hamburg-Mitte durchaus 100 und mehr Namen auf den jeweiligen Stimmzetteln stehen. Wird dann noch kräftig panaschiert und ein bisschen kumuliert, ist das Chaos perfekt. Wer selbst schon einmal in einem Wahlvorstand aktiv war, weiß, wie schnell sich Fehler selbst bei deutlich geringerer Kandidatenzahl einschleichen können.

Unter anderem vor diesem Hintergrund bestellte die Innenbehörde tausende der elektronischen Helferlein bei der westfälischen Firma Diagramm Halbach, ohne allerdings zuvor die Hausaufgaben gemacht zu haben. Die Politiker hätten sich zu schnell ein unreifes System verkaufen lassen, kritisierte etwa der frühere Inhaber des Lehrstuhls für IT-Sicherheit an der Universität Hamburg, Professor Klaus Brunnstein, zuletzt auf einer Sachverständigen-Anhörung des Verfassungsausschusses der Hamburger Bürgerschaft. Sie hätten über ein System entschieden, "das nicht zugelassen ist – in der Hoffnung, dass es zugelassen wird".

Brunnstein wies darauf hin, dass das Ergebnis der notwendigen Baumusterprüfung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) auch drei Monate vor dem Wahlgang immer noch ausstehe. Der Prüfauftrag sei der PTB erst im Juli 2007 erteilt und das System danach offenbar noch mehrmals modifiziert worden. Nachdem auch andere Experten bei der Anhörung "größte Bedenken" hinsichtlich eines Einsatzes der Digitalen Wahlstifte im Februar geäußert hatten, zog die SPD ihre Unterstützung für das Projekt zurück und die CDU wollte mit ihrer knappen Mehrheit in der Bürgerschaft das elektronische Wahlsystem nicht im Alleingang durchdrücken.

Die GAL hatte sich zuvor bereits für die Beibehaltung der vollständig manuellen Auszählung der Stimmzettel ausgesprochen – doch der Weg zurück ist so einfach nicht. Denn der Innenbehörde fehlen jetzt rund 4.500 Wahlhelfer, die zusätzlich zu den eingeplanten 11.000 benötigt werden, um die händische Zählung der mehr als zehn Millionen Stimmen zu bewältigen. "Wahlhelfer dringend gesucht!" – diesen Appell richtete Landeswahlleiter Willi Beiß am heutigen Mittwoch an alle wahlberechtigten Hamburger: "Mit den bisherigen treuen Wahlhelfern allein schaffen wir es nicht."

Die Auszählung der Stimmzettel wird nach seinen Berechnungen bis drei Tage nach der Wahl dauern. Mit elektronischer Unterstützung hätte der Zählvorgang Herstellerangaben zufolge schon am Abend des Wahltags erledigt sein können. Mitglied des Vorstandes in einem Wahllokal kann im Übrigen jeder Wahlberechtigte werden. Wahlvorsteher erhalten als Aufwandsentschädigung 45 Euro, ihre Stellvertreter 40 Euro und Beisitzer 30 Euro. Stellen Arbeitgeber Mitarbeiter frei, werden die Lohnkosten erstattet. Die Wahlhelfer erhalten Schulungen für ihre Tätigkeit. Interessierte können sich im Internet, bei ihrem Bezirksamt oder in Einkaufszentren aufgebauten "Schnupperwahllokalen" registrieren lassen.

Autor(en)/Author(s): (pmz/c't)

Quelle/Source: Heise online, 21.11.2007

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