Der Digitale Wahlstift war bereits parallel zur Bundestagswahl im September 2005 in Hamburg-Wandsbek und zur Landtagswahl im März 2006 in Rheinland-Pfalz getestet worden. Dabei handelt es sich um einen zigarrengroßen Kugelschreiber, der mit Hilfe einer kleinen eingebauten Kamera und in Verbindung mit dem speziell gerasterten Papierstimmzettel erkennen kann, an welcher Stelle der Wähler sein Kreuz macht. Das elektronische Votum speichert der Stift zunächst intern ab. Beim Einwerfen des Papierstimmzettels händigt der Wähler das Gerät wieder dem Wahlvorstand aus, der die Daten dann mittels einer Docking-Station auf einen PC überträgt und den Stift für den nächsten Wähler initialisiert. Im Unterschied zu den umstrittenen, beleglos arbeitenden Wahlcomputern bleibt bei diesem Verfahren der elektronischen Stimmerfassung der traditionelle Stimmzettel erhalten. Anhand dieser Stimmzettel sollen in Hamburg stichprobenartig einzelne Wahlbezirke parallel per Hand ausgezählt werden, um die Funktionssicherheit zu kontrollieren.
Die technische Unterstützung der Stimmerfassung war durch eine Änderung des Hamburger Wahlgesetzes notwendig geworden, die den 1,2 Millionen Wahlberechtigten das Kumulieren und Panaschieren – die Verteilung mehrerer Stimmen auf einzelne Bewerber unabhängig von der Reihenfolge der Parteivorschläge – erlaubt. Aus dem einfachen Stimmzettel wird so ein dickes Heft, und Landeswahlleiter Willi Beiß klagte, dass das vorläufige amtliche Endergebnis "wegen der hohen Komplexität des Wahlrechts nicht mehr in der Wahlnacht bekannt gegeben werden kann". Mit der neuen Technik, freut sich nun Innensenator Udo Nagel, "können die Wahlergebnisse den Wählern, den Gewählten und der interessierten Öffentlichkeit bereits am Wahlabend präsentiert werden und nicht erst einige Tage später".
Zum Thema E-Voting siehe auch:
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Autor(en)/Author(s): (Richard Sietmann) / (jk/c't)
Quelle/Source: Heise online, 01.11.2006