Österreich, Malta und Estland sind in dieser Reihenfolge die am weitesten entwickelten europäischen Länder in Sachen eGovernment. Deutschland konnte zwar beim Online-Umsetzungsgrad um acht Prozent zulegen, ist aber im Ländervergleich erneut zurückgefallen und liegt jetzt auf dem 19. Rang. Die Werte von 74 Prozent Umsetzungsgrad und 47 Prozent vollständig online-verfügbarer Dienste entsprechen zwar dem EU-Durchschnitt, reichen aber wie in den Vorjahren nur für einen Platz im hinteren Mittelfeld.
Deutschland zeigt sich demnach in der jüngsten Untersuchung leicht verbessert, bleibt aber im hinteren Mittelfeld. "Trotz viel versprechender Ansätze tritt eGovernment in Deutschland mittlerweile auf der Stelle. Weitere Fortschritte erfordern unter anderem organisatorische Veränderungen in den behördeninternen als auch behördenübergreifenden Prozessen", sagt Tom Gensicke, Leiter Public Services bei Capgemini in Deutschland. Seiner Auffassung nach betrachtet die Politik eGovernment vorwiegend als Kosten-, nicht aber als Wirtschaftsfaktor. Das Thema werde oft nur mit geringer Priorität vorangetrieben.
So verfüge die Initiative "Deutschland Online", die eigentlich die nationalen Initiativen zwischen Bund, Ländern und Kommunen bündeln solle, weder über finanzielle noch personelle Ressourcen. Sie existiere streng genommen nur auf dem Papier.
Die neue EU-Mitglieder sind schneller
Im Durchschnitt erreichen die grundlegenden Online-Services der Behörden in den EU-Staaten sowie Island, Norwegen und der Schweiz 75 Prozent des maximal möglichen Online-Umsetzungsgrades. Das bedeutet eine Zunahme von rund zehn Prozentpunkten gegenüber der letzten Untersuchung vom Oktober 2004. Deutlich stärker als der Ausbau in den alten Mitgliedsstaaten der EU mit einem Plus von rund sechs Prozentpunkten gingen die eGovernment-Aktivitäten in den zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten voran (plus 16 Prozent). Knapp die Hälfte (48 Prozent) aller untersuchten Angebote können inzwischen vollständig über das Internet abgewickelt werden (plus acht Prozentpunkte).
Capgemini zufolge konzentrieren sich die am weitesten fortgeschrittenen Länder nicht mehr auf das reine Bereitstellen von Services. Sie entwickeln intelligente Lösungen, die sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren, weniger an gewachsenen Behördenstrukturen. Mittelfristig sei hier eine neue Dimension in der Qualität der Leistungen zu erwarten, da die behördenübergreifende Bereitstellung von Dienstleistungen erhebliche Synergien ermögliche.
Wie in den Vorjahren sind die behördlichen Online-Dienstleistungen für Unternehmen mit einem Umsetzungsgrad von 85 Prozent besser ausgebaut als die für Bürger (68 Prozent). Noch deutlicher wird dies beim Anteil vollständig online-verfügbarer Dienste: Dort sind zwei Drittel der untersuchten Leistungen für die Wirtschaft elektronisch verfügbar, jedoch nur ein Drittel der Serviceangebote für Bürger. Insbesondere in den alten EU-Mitgliedsstaaten gibt es Anzeichen, dass sich die Lücke zu schließen beginnt: Capgemini misst sieben Prozentpunkte Zuwachs bei den Bürgerdiensten, aber nur vier Prozent bei Services für Unternehmen).
In den zehn neuen EU-Staaten liegt der Zuwachs in beiden Kategorien mit 17 beziehungsweise 16 Prozentpunkten etwa gleichauf. Capgemini-Manager Gensicke: "Die höheren Zuwachsraten in den neuen EU-Staaten sind natürlich auch auf die niedrigeren Ausgangspositionen zurückzuführen." Es zeige sich aber, dass die neuen Staaten die Bedeutung des eGovernments erkannt hätten und die Zuwachsraten hoch blieben.
Autor(en)/Author(s): (hv)
Quelle/Source: Computerwoche, 28.06.2006