Das Beispiel unterstreicht für Scheer die Notwendigkeit, vor einer gesetzlichen Regelung stärker über deren Folgen nachzudenken und die Kompetenzen der verschiedenen Ressorts in der Netzpolitik bei dem vom Bitkom wiederholt geforderten "Internet-Staatsminister" zu bündeln. Im Falle einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung besteht der Verband darauf, dass die gesetzliche Grundlage dann Bestand hat und nicht erneut mit dem Grundgesetz in Konflikt gerät. Man sei weder "der Treiber" in dieser Angelegenheit, noch wolle man in Brüssel gegen die bestehenden EU-Vorgaben intervenieren. Sollte ein neues Gesetz kommen, müsse auch das Thema der Erstattung von Investitionskosten mit auf den Tisch.
Die Politik bewegt sich derzeit im Bereich Netzregulierung nach Ansicht des Bitkom-Chefs "etwas hektisch". So sei es zwar zu begrüßen, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière es mit dem Dialog mit der Internetgemeinde und der Wirtschaft ernst meine. Dennoch seien auch hier erst die Auswirkungen möglicher Maßnahmen im Auge zu behalten – etwa der vom Minister aufgegriffenen Forderung des Chaos Computer Clubs (CCC), dass Unternehmen ihre Kunden einmal im Jahr schriftlich über gespeicherte Daten informieren.
Zugleich warf Scheer der Bundesregierung beim Datenschutz und der Strafverfolgung eine gespaltene Politik vor. So sei es ein Ziel des heftig umkämpften und mittlerweile teils ausgesetzten Zugangserschwerungsgesetzes gewesen, das Angebot an kinderpornographischen Inhalten im Netz zu treffen und die Nachfrage auf dem "kriminellen Markt" zu schwächen. Andererseits kurbele der Staat die Nachfrage nach "geklauten" Informationen mit dem Aufkauf von CDs von Steuersündern geradezu an. Nicht schlüssig sei zudem, mit der Protokollierung der Nutzerdaten selbst einen großen Datenhunger an den Tag zu legen und andererseits Google als Inbegriff der Datensammelwut in der Wirtschaft zu brandmarken.
Die Lobbyvereinigung hofft nun auf die Verabschiedung einer kohärenten "Internet-Strategie" der Bundesregierung im Sommer, nachdem es damit auf dem jüngsten nationalen IT-Gipfel entgegen der ursprünglichen Erwartungen noch nichts wurde. Diese dürfe sich "nicht nur um Datenschutz" drehen, meinte Scheer, damit die hiesige IT-Wirtschaft weiter "im internationalen Konzert mitspielen" könne. Bei den Plänen des Bitkom für eine Standortinitiative für eine "deutsche Cloud" hält es der Verbandschef aber durchaus für wichtig, die Stärken hiesiger Firmen in Bereichen wie Datensicherheit und Vertrauen in den Vordergrund zu stellen. Hier gebe es erste Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium, aus denen sich ein Fahrplan für einen Vorstoß von öffentlicher Hand und Privaten entwickeln solle. Dabei müsse auch ein Fokus etwa auf den Aufbau von Server-Infrastrukturen oder von Anwendungen fürs Cloud Computing gelegt werden.
---
Autor(en)/Author(s): (Stefan Krempl) / (vbr)
Quelle/Source: Heise online, 09.03.2010
Bitte besuchen Sie/Please visit: