Dass Behörden im eigenen Haus mittelfristig schlagkräftige IT-Abteilungen auf die Beine stellen oder am Leben erhalten können, glaubt Bresonik nicht. Noch würde in der Verwaltung jede Einführung eines IT-Prozesses als rein technische Aufgabe angesehen, dabei gehe es um eine "grundsätzliche Transformation von Prozessen, Einstellungen und Kulturen". Der Staat dürfe dabei nicht die frühen Fehler der Wirtschaft wiederholen, und das "Chaos elektrifizieren". Ein Erfahrungsaustausch" sei daher wichtig, wobei ein "CIO" (Chief Information Officer) des Bundes mit strategischen Gestaltungsfunktionen eine große Hilfe wäre.
Zudem würde die Verwaltung aber auch in dem bevorstehenden "War for Talents" im dynamischen IT-Sektor gegenüber den Privaten schon aufgrund seiner fest gefügten Tarifstrukturen den Kürzeren ziehen und schlicht keine gut ausgebildeten Informatiker bekommen, gab der Vertreter der T-Systems Enterprise Services GmbH angesichts der demographischen Entwicklung hierzulande zu bedenken. Konkret warf Bresonik unter anderem die Frage auf, warum Polizisten etwa de facto in vielen Bereichen Server oder andere IT-Dienste betreiben würden, obwohl dies nicht der Verbrechensbekämpfung an sich diene. Derartige Aufgaben könne die Wirtschaft kostengünstiger und besser erledigen.
Auch Oswald Metzger, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag Baden-Württemberg, ist gegen ein unnötiges Aufblasen der Staatsfunktionen und schließt dabei den IT-Sektor mit ein. Es gehöre nicht zu den Kernaufgaben der Verwaltung, Dokumentationsaufgaben in öffentlichen Dienststellen mit Hilfe des Computers zu erledigen, gab der Haushaltsexperte ein Beispiel. "Wie viel Geld nehmen wir in die Hand, um mit ineffizienten und vielfältigen Systemen öffentliche Dienstleistungen zu erbringen", beklagte Metzger. Zugleich hätten sich viele Behörden immer noch nicht von der "überholten Kameralistik" zur rein jahresbezogenen Kostenerfassung verabschiedet, sodass keine Wettbewerbsrechnungen mit der Wirtschaft angestellt werden könnten.
Generell säßen laut Metzger viel zu viele Beamten "da, deren Altersvorsorge wir bezahlen müssen". Dass diese in der Kostenrechnung nicht auftauchen, sei reiner "Selbstbetrug". "Effizienzressourcen" würden ferner nicht zur Konsolidierung der Haushaltsbereiche genutzt. Eher gehe es manchen Verwaltungen noch darum, im IT Sektor "in Konkurrenz zu Dienstleistungen der Wirtschaft" zu treten. Gegenläufige Projekte wie eine Public Private Partnership (PPP) in Stuttgart für die Abwicklung der Bürokommunikation seien die Ausnahme. "Da haben wir auch nichts von der Blase IT-Gipfel", kritisierte der Grüne die Bemühungen der Bundesregierung. "Der Staat nimmt eine Annexion von Leistungen vor, die die Wirtschaft besser und effizienter erbringen könnte."
Ein Dorn im Auge ist den Outsorcing-Verfechtern etwa die Datenzentrale Baden-Württemberg, da diese als öffentliche Institution auch kommerzielle IT-Services anbietet. Matthias Kammer, Vorstandsvorsitzender des Dienstleisters dataport, der für die IT der öffentlichen Verwaltungen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen zuständig ist, nahm die Kollegen aus dem Ländle jedoch in Schutz. "Wir dürfen nicht alles abschaffen, was wir haben", erklärte er aus Verwaltungssicht. Wer im öffentlichen Dienst leistungsfähige IT-Produkte habe, müsse auch am Wettbewerb mit der Wirtschaft teilnehmen dürfen. Sonst müsste man jede Behörde abschaffen, "die normal arbeitet". Zudem habe sich auch die Privatwirtschaft in vielen gemeinsamen IT-Projekten mit der öffentlichen Hand "nicht mit Ruhm bekleckert." Bisher gebe es ferner keine Modelle der Privaten im Umgang mit der Personalsituation im öffentlichen Sektor, sodass die Nordländer PPP zunächst mit "Public Public Partnership" übersetzt und sich zum gemeinsamen Erbringen von IT-Leistungen zusammengerauft hätten.
Insgesamt stimmte Kammer Bresonik aber zu, dass "wir lernen müssen, mit der Wirtschaft ganz anders zusammenzuarbeiten". Zugleich forderte der Interessenvertreter, der auch Chef der Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister Vitako ist, "dass IT ein zentrales Politikthema" und zu einem Faktor für eine Wiederwahl werden müsse. Es sei ein "grandioser deutscher Fehler", die Computerei zu einer Fachfrage zu degradieren. Daher nütze es auch nichts, einen CIO zu fordern, "wenn es niemanden gibt, der ihn haben will."
Christian Rupp, Sprecher der Plattform Digitales Österreich im Bundeskanzleramt der Alpenrepublik, sekundierte Kammer mit der Bemerkung, dass es zur Übernahme der Führung im Bereich E-Government in Europa ein "Trainingsprogramm wie zum Skifahren" mit einem entsprechenden politischen Willen gebraucht werde. Die elektronische Behörde ist seiner Ansicht nach "nicht sexy, aber kann sehr effizient sein und muss vermarktet werden." Als beispielhaft für Österreichs Erfolge hob Rupp unter anderem die Schaffung einheitlicher, auf Open-Source-Software basierender Module für Online-Anwendungen hervor. Damit stehe etwa hinter der Bankkarte oder der Gesundheitskarte "die gleiche E-Identität". Noch zeigen die Österreicher aber wenig Interesse an der Nutzung der neuen Möglichkeiten auf Basis digitaler Signaturen.
Autor(en)/Author(s): (Stefan Krempl) / (vbr/c't)
Quelle/Source: Heise online, 11.01.2007