Nach Einschätzung von Tom Gensicke, Leiter Public Services bei Capgemini in Deutschland, erachte die Politik E-Government hierzulande offenbar vorwiegend als Kosten-, nicht aber als Wirtschaftsfaktor. Die Initiative Deutschland Online, die entsprechende Bemühungen von Bund und Ländern eigentlich bündeln und vorantreiben solle, stehe angesichts fehlender finanzieller und personeller Ressourcen nur auf dem Papier. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidentenkonferenz haben jedoch erst in der vergangenen Woche einen neuerlichen "Aktionsplan Deutschland-Online" auf den Weg gebracht. Über den Aufbau eines integrierten, sicheren Kommunikationsnetzes für die deutsche Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden sollen auch die Bemühungen um den Ausbau der E-Government-Angebote belebt werden.
Bis dahin zeigen neue EU-Mitglieder wie Malta und Estland, vor allem aber unser Nachbarland Österreich, wie eine zügige Umstellung behördlicher Dienstleistungen auf Onlineangebote gelingen kann. Österreich konnte den Online-Umsetzungsgrad ebenfalls um acht Prozentpunkte gegenüber 2004 steigern und liegt nun mit 95 Prozent einsam an der Spitze. Malta und Estland schoben sich auf die Plätze zwei und drei vor. Während der Inselstaat 25 Prozentpunkte auf 92 Prozent zulegen konnte, schafften die Balten immerhin eine Steigerung um 12 Prozentpunkte auf 90 Prozent.
Insgesamt sei der Online-Umsetzungsgrad in allen untersuchten Ländern jetzt im Durchschnitt über 75 Prozent angelangt. Damit sei nach Aussage der Capgemini-Analysten die Stufe der so genannten Zwei-Wege-Interaktion erreicht. Das heißt, dass ein Datenaustausch zwischen den Behörden auf der einen Seite und Bürgern sowie Unternehmen auf der anderen möglich geworden sei. Insbesondere die Leistungen der Verwaltung können mittlerweile zu fast 50 Prozent vollständig über das Internet genutzt werden.
Bürger werden im Vergleich zu Unternehmen aber immer noch benachteiligt. Während zwei Drittel der für das Gewerbe angebotenen Dienstleistungen vollständig online zur Verfügung stehen, müssen sich die Bürger im Durchschnitt noch immer mit einer Versorgungsrate von 30 Prozent begnügen. Die Studie zeige aber, dass es zumindest in den alten EU-Ländern Anzeichen für eine allmähliche Verringerung dieser Versorgungslücke gebe. Denn der Zuwachs falle bei den Bürgerdiensten inzwischen höher aus, als bei jenen für Unternehmen.
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Quelle/Source: Heise online, 29.06.2006