Nicht einsichtig ist für Schaar zudem, wieso das biometrische Merkmal nicht etwa in einem "3D-Barcode" anstatt in (den bereits bestellten) RFID-Chips gespeichert wird. Wegen der BSI-Kontrolltechnik müsse der Pass nun nämlich doch wieder auf eine optische Leseplatte gelegt werden, sodass der angepriesene Hauptvorteil der kontaktlosen ID-Technik verloren gehe. Die EU-Verordnung schreibe dagegen nur vor, dass ein "automatisches Auslesen" möglich sein müsse. Dies brauche nicht zwangsweise auf RFID hinauszulaufen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte beklagte ferner, dass die internationalen Standards für die Pässe noch gar nicht spezifiziert seien. Es könne so nicht gewährleistet werden, dass die deutschen Hightech-Dokumente von anderen Staaten ausgelesen werden könnten.
Generell sieht der Kritiker mit dem E-Pass-Szenario Schilys den Anlass für eine allgemeine Wiederentdeckung des Datenschutzes in der Bevölkerung gekommen, ähnlich wie mit dem epochalen Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, das zu einer deutlichen Stärkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts führte. Er sei zwar strikt gegen das Schüren einer diffusen "Überwachungshysterie". Doch er befürchtet, dass die neue Technik in der Bevölkerung Ängste auslösen könne: Aus biometrischen Merkmalen wie dem Gesichtsbild seien nämlich viele "Informationen mit Überschusscharakter" herauszulesen, die über die reine Identifizierung des Passhalters weit hinaus gehen. Schaar nannte unter anderem mögliche Korrelationen zwischen "gentechnischen Dispositionen" oder bestimmten Empfindlichkeiten und Orientierungen. Der Datenschützer führte weiter aus, dass die biometrischen Merkmale beispielsweise auch zur Selektion einzelner Völkergruppen nutzbar wären.
Dass sich die Einschätzung des Themas Datenschutz beim politischen "Mainstream" ändert, machte Schaar auch an einer Äußerung der CSU-Spitze fest: So habe der Fraktionsvorsitzende der bayerischen Unionspartei, Joachim Herrmann, auf einer Fachveranstaltung vergangene Woche in München betont, dass die Freiheit nicht mehr länger gegen die Sicherheit ausgespielt und die Terrorismusabwehr nicht als "Freibrief zum Datensammeln" angesehen werden dürfe, und dem Bundesdatenschutzbeauftragten so regelrecht die Worte aus dem Mund genommen. Kritik an der E-Pass-Initiative übte in Berlin zudem CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn. Er sieht darin hauptsächlich eine "Maßnahme zur Wirtschaftsförderung" sowie einen Vorstoß zur "Rettung der Bilanzen der Bundesdruckerei" aus dem Innenministerium.
Autor: (Stefan Krempl) / (ciw/c't)
Quelle: Heise online, 12.06.2005