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Thursday, 18.04.2024
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Landrat Christiansen fordert schnellen Modernisierungsprozess. Landrat Christiansen fordert schnellen Modernisierungsprozess Frage: Herr Christiansen, Sie gelten als Befürworter der von Landesseite geplanten Gebiets- und Funktionalreform und fordern deren Umsetzung schon in drei, vier Jahren. Finden Sie dafür Rückhalt?

Rolf Christiansen: Die Diskussion ist bislang positiv verlaufen. In den alten Ländern hätte man sich vermutlich mit Händen und Füßen gewehrt. Richtig ist, dass es Stimmen gibt, die 2009/10 als Ziel für richtig halten. Das wäre mir zu spät. Jetzt ist die Diskussion in vollem Gange. Diesen Trend müssen wir nutzen. Dass die Funktionalreform kommen muss, ist klar. Das haben wir seit Jahren gefordert, nicht zuletzt, um strukturellen Finanzproblemen entgegen zu wirken. Wer diese Probleme lösen will, muss auch über neue Gebietszuschnitte nachdenken. Das muss miteinander verknüpft werden, sonst haben wir nichts gekonnt. Ich denke, es wird sich bis Ende nächsten Jahres abzeichnen, was passiert. Die Diskussion ist, wie gesagt, auf allen Ebenen bereits in vollem Gange.

Frage: Werden geänderte Gebiets- und Verwaltungsstrukturen tatsächlich Finanzprobleme lösen helfen?

Christiansen: Sie werden dazu beitragen. Auch die 94er Reform hat erhebliche Einsparungen gebracht, besonders im personellen Bereich. Das wird auch nach der Funktionalreform und 2. Gebietsreform so sein, auch wenn wir möglicherweise erstmal investieren müssen. Was uns gelingen muss, ist, dass wir auf unterster Ebene leistungsfähige Verwaltungen schmieden, so dass wir Leistungen zur ersten Bearbeitung abgeben können. Im gleichen Zuge muss das Land Aufgaben an die Kreise abgeben. Damit erreichen wir, dass die Aufgabenerledigung näher zum Bürger kommt. Hierachieebenen und Doppelzuständigkeiten können so abgebaut werden. Dann kann Verwaltung deutlich abspecken. Da sind erhebliche Einsparungen drin.

Frage: Wie ist denn die Stimmung im Landratsamt angesichts dieser Personalsparaussichten?

Christiansen: Die Mitarbeiter bei uns im Hause fragen, was auf sie zukommen wird. Ich kann nur jedem raten, sich weiter zu qualifizieren und sich damit für künftige Aufgaben zu empfehlen. Das ist nicht viel anders als in der freien Wirtschaft auch. Aber ab 2006/2007 werden insbesondere auch in den Landesbehörden viele Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Diese Situation sollten wir nutzen, um die Aufgaben anzugehen. In jedem Fall wird es sozial verträgliche Lösungen geben. Ich sehe die Fürsorgepflicht. Aber man muss sich auch wirtschaftlichen Zwängen stellen.

Frage: Mancher befürchtet, dass sich die Verwaltung immer mehr von den Bürgern entfernt. Wie sehen Sie das?

Christiansen: Ich sehe in der Funktional- und Gebietsreform eher Vor- als Nachteile für die Bürger. Die verbleibenden Amts- und Stadtverwaltungen müssen materiell und fachlich so ausgestattet werden, dass 90 Prozent der Bürgeranliegen dort erledigt werden können. Fünf der 12 Amtsverwaltungen bei uns im Landkreis haben ihren Sitz in amtsfreien Städten. Werden diese Verwaltungen zusammengelegt, gibt es mit Sicherheit keine Nachteile für die Bürger. Und dort, wo Verwaltungen in der Fläche aufgelöst werden, können Bürgerbüros eingerichtet werden. Man muss ja die Amtsverwaltungen auch nicht sofort ganz auflösen. In der ersten Phase werden sicherlich auch die Amtsausschüsse nicht aufgelöst. Es wird nur andere Ansprechpartner in den Verwaltungen geben. Wichtig ist, dass wir die Menschen bei dem bevorstehenden Reformprozess mitnehmen. Vernünftig ist eine Lösung, die genügend Zeit lässt, dass sich alle an die neuen Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung herantasten können.

Frage: Werden sich die Bürger, was das ehrenamtliche politische Engagement in den Vertretungen betrifft, noch mit den neuen Gebietsstrukturen identifizieren können?

Christiansen: Sicherlich wird es zunächst schwieriger, wenn die Räume größer werden. Schon jetzt ist es mühsam, genügend Interessenten für die Arbeit in einer Gemeindevertretung zu finden. Liegt es daran, dass die Gemeinde zu groß ist? Oder daran, dass sie zu klein ist? Eine spannende Frage. Es wird so kommen, dass Aufgaben vom Großkreis an die nachgeordneten Verwaltungseinheiten abgegeben werden. Damit werden auch die Aufgabenbereiche der politischen Vertretungen größer. Ich sehe darin eine noch größere Mitwirkungschance, ein Mehr an örtlicher Demokratie. Was wir in diesem Zusammenhang brauchen, ist ein weiterentwickeltes Ortsteilrecht. Die Einrichtung von Ortsteilbeiräten, wie sie heute schon in Schwerin existieren, wäre auch andernorts sinnvoll.

Frage: Ist das, was ein künftiger Kreistag in einem Großkreis Mecklenburg-Schwerin leisten muss, für die Abgeordneten noch ehrenamtlich leistbar?

Christiansen: Ja. Ein neuer Kreistag wird Aufgaben haben, wie sie heute schon der Regionale Planungsverband hat. Beispielsweise die regionale Raumordnung, die unter anderem die Entwicklungsräume für Landwirtschaft, Tourismus, Industrieansiedlung, die Verkehrswegeplanung und die Eignungsräume für Windenergie für die Kommunen verbindlich festlegt. Es werden nur noch zu einem sehr geringen Teil Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung sein, sondern überregional bedeutsame Anliegen. Bevor viele Bereiche den Kreistagen durch die Gründung von Zweckverbänden, zum Beispiel bei den beruflichen Schulen entzogen werden, sollten sie dem zu schaffenden Regionalkreis übertragen werden. Darin und in anderen Aufgaben eines neuen Großkreises werden auch die verbleibenden Gebietskörperschaften eingebunden.

Frage: Die Kreisverwaltungen und die Verwaltungen der kreisfreien Städte im potenziellen Großkreis Mecklenburg-Schwerin haben mehr oder minder viel Geld in ihre Verwaltungssitze investiert oder haben langfristige Mietverträge. Was wird daraus werden?

Christiansen: Das ist ein Randproblem. Auch nach der Reform werden Liegenschaften gebraucht. Hauptsitz wird in Schwerin sein, das ist klar. Aber viele Verwaltungseinheiten werden an ihren heutigen Standorten bleiben. Auch für die mögliche Verlegung von Landesämtern wird Platz benötigt.

Frage: Stichwort e-Government. Die digitale Vernetzung gilt als grundlegender Baustein der Verwaltungsmodernisierung. Davon ist für den Normalverbraucher noch nicht allzu viel zu spüren. Sind Sie mit dem Stand der Dinge im Landkreis zufrieden?

Christiansen: Anfang Dezember haben wir mit der Telekom das Internet-Kommunalportal des Landkreises eröffnet. das war ein wichtiger Schritt. Aber grundsätzlich ist e-Government noch nicht weit genug. Ziel ist, dass die Bürger ab Mitte dieses Jahres auch Führerscheinangelegenheiten und Kfz-Zulassung, bislang beim Landkreis angesiedelt, direkt vor Ort in den Amts- und Stadtverwaltungen erledigen können. Das setzt voraus, dass das Kommunalportal als Arbeitsebene von allen Verwaltungen genutzt wird.

Quelle: SVZ online, 03.01.2003

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