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Samstag, 20.04.2024
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Der Berlin-Brandenburger IT-Branchenverband SIBB beklagt, dass die Hauptstadtpolitiker keine Strategie fürs digitale Rathaus haben und Einsparpotenziale durch E-Government nicht nutzen. Dirk Stocksmeier, Vorsitzender des einschlägigen Arbeitskreises bei der Lobby-Vereinigung, beklagte bei einem Pressegespräch die "Ohnmacht der Akteure" in der Wirtschafts- und Innenverwaltung sowie in der Senatskanzlei. "Sie wollen nichts mit E-Government bewegen", also etwa mehr Produktivkräfte freisetzen. Nicht einmal von der Finanzverwaltung sei bisher der Anstoß gekommen, "mit E-Government viel Geld sparen" zu wollen.

Jüngster Stein des Anstoßes für den SIBB und die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) ist der Flop des geplanten Wirtschaftsportals der Hauptstadt. Vorgesehen war der Aufbau einer Site, über die die Gewerbeanmeldung deutlich rascher über die Bühne gehen sollte. Das Angebot hätte allgemein mit Tipps und Tricks für Unternehmer – unterteilt in verschiedene "Wirtschaftslagen" wie die Existenzgründung – aufwarten sollen. Den Machern schwebte auch vor, dass Besucher per Mausklick Anmeldungen bei Verwaltung und Berufsgenossenschaften auf einen Schlag erledigen können. Der Senat hatte dazu eine Partnerschaft mit der US-Firma BearingPoint abgeschlossen, für die Berlin ein Referenzmodell werden sollte. Doch das Unternehmen ist inzwischen aus den geschlossenen Verträgen wieder ausgestiegen.

"Seit drei Jahren wurde darüber geredet, jetzt fängt alles wieder von vorne an", klagt Stocksmeier. Seinen Informationen nach scheiterten die Verhandlungen am vorgesehenen Geschäftsmodell für das Portal. Die Senatsseite habe sich wohl letztlich daran gestört, dass die Seite nur für die Verwaltung selbst kostenneutral gewesen wäre und Firmen einen symbolischen Beitrag zur Finanzierung beisteuern sollten. Jüngster Stand der Dinge ist laut dem Unternehmer, dass nur noch ein "Formular-Center" geplant ist. Dort würden sich PDFs finden, die man "dann wieder händisch ausdrucken, ausfüllen und per Post verschicken muss".

"In Berlin werden die besten Konzepte gemacht wie der E-Government-Masterplan", haut Ortwin Wohlrab, Vorsitzender des SIBB, in die gleiche Kerbe. "Aber leider wird zuwenig umgesetzt." Die immer wiederholte Begründung von Senatsseite sei, dass " kein Geld da ist". In anderen Branchen werde das Internet aber gerade eingesetzt, um Kosten zu sparen, effizienter zu arbeiten und konkurrenzfähig zu sein. "Das ist ungefähr so, wie wenn ich zu den Fußballspielern sage: Es ist kein Geld da für die Schuhe", empört sich Wohlrab. Gleichzeitig verweist er darauf, dass in anderen Bundesländern E-Government-Anwendungen bereits in vielen Bereichen weiter fortgeschritten seien als in Berlin und dort auch von den Spitzenpolitikern der Kommunen mit unterstützt würden. So bearbeiten etwa die nordrhein-westfälischen Amtsgerichte vom Sommer an alle Vorgänge rund um die Handelsregister nur noch elektronisch. Anträge, Auskünfte und Einträge sollen ausschließlich über das Internet oder elektronischem Rechtsverkehr ablaufen und die Papiereintragungen ablösen. Registerauskünfte können so rund um die Uhr eingeholt werden.

Besonders ärgerlich empfindet der lokale Branchenverband das Zaudern im Senat, weil das Institut of Electronic Business an der Universität der Künste Berlin bereits vor drei Jahren in einer Analyse das große Potenzial Berlins als E-Government-Hauptstadt aufgezeigt hat. Demnach sei der Standort einzigartig, weil alle großen Beratungs- und Systemhäuser dort einen Sitz und viele Berliner Firmen bereits ausgezeichnete Beispiele für Verwaltungsanwendungen entwickelt hätten. Dazu kämen die zahlreichen Universitäten, die teilweise Spezialangebot rund ums digitale Rathaus anbieten. Allein im einschlägigen Lobby-Verbund Amt24 sind etwa 50 Unternehmen aus Berlin und Brandenburg Mitglied, die sich auf E-Government spezialisiert haben.

Generell kritisiert Wohlrab, dass bereits auf IT-Verfahren setzende Behörden ihre "immensen Ersparnisse" nicht an den Bürger weitergeben und stattdessen Steuern erhöht werden. Allein im Rahmen der Elektronischen Steuererklärung (Elster) schätzt der Unternehmer, dass beim Staat pro Einreichung etwa zehn bis zwölf Euro mehr in der Kasse bleiben. Ähnlich sei es bei der "einfachen Meldeauskunft", in deren Rahmen Bürger den Wohnort einer namentlich bekannten Person in vielen Städten inzwischen online erfragen könnten. Statt solche Auskünfte günstiger zu machen, werde allein die schriftliche Abfrage verteuert.

Autor(en)/Author(s): (Stefan Krempl) / (jk/c't)

Quelle/Source: Heise online, 21.06.2006

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